Sightseeing aus der Vogelperspektive: Im Landeanflug auf Lanzarote wird die einmotorige Piper Malibu allerdings ordentlich durchgeschüttelt. Foto: privat/Schlittenhardt

Walter Schlittenhardt ist ein ruhiger Zeitgenosse. Der Chefarzt der Anästhesie an der Geislinger Helfensteinklinik geht allerdings immer wieder mal in die Luft. Am liebsten im Cockpit in eines einmotorigen Flugzeugs.

Geislingen - Den Traum vom Fliegen träumte er bereits als kleiner Bub. Die Pilotenkanzel hat ihn immer gereizt. „Doch dann ist es die Medizin geworden“, sagt Walter Schlittenhardt, ohne dass in seiner Stimme auch nur ein Hauch von Enttäuschung mitschwingen würde. Seit 35 Jahren ist der mittlerweile 63-Jährige als Anästhesist tätig, zunächst in Ravensburg, dann als Oberarzt in Heilbronn und nunmehr seit gut 14 Jahren als Chefarzt an der Geislinger Helfenstein-Klinik. Seinen Traum vom Fliegen lebt Schlittenhardt aber dennoch aus: nicht gerade exzessiv, aber im Urlaub.

In aller Regel hebt er dann zusammen mit seinem Großcousin Götz Mayer ab. „Da unsere Ehefrauen nicht so gerne mitfliegen, hat sich das in dieser Form ergeben“, erklärt Schlittenhardt und fügt ein „das passt sehr gut“ hinzu. Meist begibt sich das Duo auf – im wahrsten Sinne des Wortes – kleinere Ausflüge. Immer wieder geht es in Richtung Spanien, wegen des meist guten Wetters und des überschaubaren bürokratischen Aufwands. Aber nach etlichen Kurztrips reifte der Wunsch, „mal etwas Größeres zu machen“. Die Kanarischen Inseln wurden zum Ziel erkoren – ein ordentliches Stück Weg.

Vor zwei Jahren war es dann so weit. Etwas mehr als 14 Tage mit insgesamt rund 42 Flugstunden wurden eingeplant. „Da muss man schon gerne fliegen. Man sitzt zwar ganz vorne in der Maschine, aber es ist eng im Cockpit und unbequem“, betont Schlittenhardt. Auch die Verpflegung an Bord sei eher spartanischer Natur. Schokolade, ein paar Äpfel – das wär’s so im Großen und Ganzen. Getränke? „Naja, mit der Toilette ist das in einem einmotorigen Flieger so ein Sache“, sagt der Hobby-Pilot.

Es gibt etliche Paralllen zwischen der Medizin und der Fliegerei

Überhaupt galt das Hauptaugenmerk mehr dem Wohlbefinden der ausgeliehenen, 20 Jahre alten und 360 PS starken Piper Malibu als dem der beiden Passagiere. „Da liegt viel Wasser auf der Strecke, und wenn in einer einmotorigen Flugzeug der Motor ausfällt, dann geht’s nach unten“, sagt der Mediziner, der sein Tun am OP-Tisch deshalb durchaus in einen Zusammenhang mit seiner Freizeitbeschäftigung stellt. „Hier wie dort geht es darum, per se unsichere Dinge möglichst sicher umzusetzen.“ Dabei könne die Ärzteschaft durchaus von der Fliegerei lernen, stellt Schlittenhardt klar. „So werden die sogenannten Checklisten in der Luftfahrt bereits seit 1935 eingesetzt. In der Medizin ist das erst seit diesem Jahrhundert Standard.“ Zudem hätten Piloten, was das Training angehe, einen Simulator. Bei Ärzten sehe das Budget etwas derartiges nicht vor, ergänzt er.

Eine umfassende Vorbereitung der Kanaren-Tour war deshalb Pflicht. Die Route wurde so ausgetüftelt, dass die Abschnitte über dem Meer möglichst kurz ausfallen und immer ein Funkkontakt gewährleistet ist. Doch alle Eventualitäten lassen sich beim Fliegen eben doch nicht kalkulieren, und so mussten bereits direkt nach dem Start die ersten Gewitterfronten umflogen werden. Ibiza musste in einem Bogen über Marseille angesteuert werden. Und für die längste Etappe von Ibiza nach Marrakesch wurden sechs statt vier Stunden benötigt. „Bei 60 Knoten Gegenwind und einer Geschwindigkeit von 180 Knoten, die der Flieger im Bestfall macht, sollte man schon den Dreisatz beherrschen, um sicher zu sein, dass der Sprit wirklich reicht“, betont Schlittenhardt, der kein eigenes Flugzeug hat und die Leihmaschine im Vorfeld akribisch inspiziert hat.

Die Wind-, Wetter und Temperaturkarten stets im Blick

Pausentage an den jeweiligen Zwischenstationen waren natürlich eingeplant, ehe es von Marrakesch aus übers Wasser nach Lanzarote ging. Im Landeanflug wurde die Piper nicht nur dort kräftig durchgeschüttelt. „Aber das gehört halt ebenso dazu, wie die eine oder andere Verständigungsschwierigkeit mit den Bodenkontrollen oder dem Empfangspersonal auf den Flughäfen“, sagt Schlittenhardt. Entschädigt worden sei man ja durch die Ausblicke bei der Runde über Fuerteventura, Gran Canaria, La Palma und Teneriffa sowie durch die Begegnungen mit den zahlreichen meist netten Menschen, fasst er zusammen

Obwohl also das Studium von Wind-, Wetter- und Temperaturkarten ebenso zum täglichen Programm gehöre wie der ständige Blick auf potenzielle Ausweichmöglichkeiten – genießen könne er ein solche Reise ohne Frage. „Spannend sind ja nur die Starts und die Landungen, der Rest des Fluges ist entspannend“, sagt er. Auch das sei im Übrigen wie bei einer Operation in der Klinik. Der Beginn und das Ende einer Narkose seien entscheidend. Seinem Hobby gemäß hat sich Schlittenhardt daher auch im Arbeitsalltag das Thema Sicherheit, in dem Fall der Patienten, auf die Fahne geschrieben. „Bei Fortbildungen greife ich gerne auf Beispiele aus der Fliegerei zurück“, erklärt er. Das scheine griffiger und den Leuten plausibler zu sein.