In Kontiolahti feierte Martin Fourcade seinen 79. Einzelsieg und erklärte danach seinen Rücktritt vom aktiven Sport. Foto: AFP/JUSSI NUKARI

Der französische Biathlet Martin Fourcade beendet seine facettenreiche Karriere – vom arroganten Herrscher zum demütigen Triumphator. Nun will der 31-Jährige Funktionär werden.

Kontiolahti - Es fehlte nicht viel, dann wären ein paar Tränchen über die stoppelhaarigen Wangen von Martin Fourcade gekullert. Der Franzose war ergriffen. Mehr als nach seinen 13 WM-Triumphen, mehr als nach seinen fünf Olympiasiegen. Es war eine Premiere für den 31 Jahre alten Biathleten: Er verkündete seinen Rücktritt. Standesgemäß, wie es sich für einen gehört, der die Szene der Skijäger beinahe eine Jahrzehnt lang dominiert hat. „Besser hätte ich meine Karriere nicht beenden können“, sagte Martin Fourcade nach seinem Sieg am Samstag in der Verfolgung beim Saisonfinale in Kontiolahti und musste im Kreis seiner Kollegen kämpfen, seine Emotionen im Griff zu behalten. Danach musste er noch eine Schrecksekunde überstehen – die französischen Biathleten warfen ihn in die Luft und fingen ihn nicht richtig auf. Glück gehabt, nichts passiert.

Nach dem Sieg in der Verfolgung geht Monsieur Nimmersatt in die Sportgeschichte ein. „Mein Wille, das Beste zu geben und Berge zu versetzen, ist immer noch vorhanden. Aber die Fortsetzung meines Wachsens als Mann, als Vater muss jetzt auf anderen Wegen geschehen. Es ist Zeit, sich zu verabschieden“, sagte Fourcade in Kontiolahti, wo er genau vor zehn Jahren seinen ersten Einzel-Weltcup-Sieg gefeiert hatte, dem 78 weitere folgten sowie sieben Triumphe im Gesamtweltcup. Den achten verpasste er diesen Winter um lediglich zwei Punkte, den holte sich sein Nachfolger auf dem Biathlon-Thron, der Norweger Johannes Thingnes Bö.

Einst verhöhnte Fourcade seine Gegner

Martin Fourcade hat sich seit seinem ersten Auftritt im Weltcup im März 2008 in Oslo, als er 61. im Sprint geworden war, gewandelt. Der Mann aus den Pyrenäen reifte mit den Jahren nicht nur sportlich, sondern auch menschlich wie ein erlesener französischer Rotwein. Einst verhöhnte er seine Konkurrenten, indem er vor dem Ziel die Ski abschnallte und wie ein Pfau über die Linie stolzierte. Oder er drehte nach dem letzten Schießen, als endgültig feststand, dass er wieder einmal einem Triumph entgegenfahren würde, den Oberkörper zum Publikum und hob mit erhabenem Blick selbstgefällig die Faust. Die personifizierte Arroganz – der von allen respektierte, aber nur von wenigen geliebte Herrscher des Biathlons.

Doch die Starallüren legte Fourcade nach und nach ab. Und im vergangenen Winter lernte er Demut. Nach dreimal Olympia-Gold im Februar 2018 wurde er vor jeden Karren gespannt – Botschafter für Olympia 2024 in Paris, Promoter seiner Autobiografie, Experte für ein Biathlon-PC-Spiel, Mitgestalter eines Holzgewehrs für Kinder. Der Sieggewohnte tanzte auf zu vielen Partys und fühlte sich in seinem Metier als Skijäger plötzlich so leer wie ein Jeck an Aschermittwoch. Fourcade war ein Schatten seiner selbst bei der WM in Östersund und landete im Gesamtweltcup auf Rang zwölf. „Letzte Saison habe ich meine Stärke verloren“, sagte er in diesem Winter, in dem er sich zurückmeldete – was nicht jeder erwartet hat. „Ich habe gekämpft, gewonnen und gelitten. Ich bin gefallen und aufgestanden. Ich habe meine Zweifel und Albträume besiegt“, berichtete der Vater von zwei Töchtern. Bei der WM in Antholz gewann Fourcade Gold im Einzel und mit der Staffel sowie Bronze im Sprint. Mit dem elften WM-Einzelgold zog er mit Ole Einar Björndalen gleich, wie der Norweger gilt der Franzose nun als Legende.

Auch Kaisa Mäkäräinen macht Schluss

Als erklärter Dopinggegner positionierte sich der 31-Jährige als heftiger und wortgewaltiger Verfechter des sauberen Sports, er forderte drastische Strafen für Betrüger, kritisierte den Weltverband IBU wegen dessen Kuschelkurs und griff den Russen Alexander Loginow nach dessen verbüßter Dopingsperre scharf an, weil dieser kein Zeichen von Reue erkennen ließ. Fourcade kann seine Qualitäten als Kämpfer weiter beweisen, statt auf Ski und mit Gewehr um Erfolge zu streiten, will er als Funktionär für die gute Sache kämpfen. Zielsicher wie einst.

Auch bei den Frauen verabschiedete sich in Kontiolahti eine Große. Kaisa Mäkäräinen machte mit 37 Jahren Schluss. Die Finnin beendete ihre Karriere, in der sie dreimal den Gesamtweltcup gewonnen und einen WM-Titel gewonnen hat, mit Platz vier in der Verfolgung.„In diesem Stadion habe ich 2003 mein erstes Training gemacht, nun endet hier meine Karriere“, sagte sie, und dabei liefen ihr viele Tränchen über die Wangen.