Die Nationalmannschaftskarriere von Max Kruse ist fürs Erste beendet. Foto: dpa

Wenn Max Kruse einer Fotografin das Handy aus der Hand reißt und Bilder löscht, könnte das als Notwehr durchgehen. Zumindest juristischer Ärger dürfte ihm somit erspart bleiben.

Wolfsburg/Stuttgart - Wie gut, dass es Menschen gibt, die einem in schweren Zeiten zur Seite stehen. Im modernen Medienzeitalter genügt da schon ein simpler Tweet. Damit meldete sich VfB-Profi Kevin Großkreutz am Dienstag zu Wort, um eine Lanze für seinen Kollegen Max Kruse vom VfL Wolfsburg zu brechen.

Der 28-Jährige hat schon glücklichere Zeiten als Profi erlebt. Erst die Taxi-Affäre um die liegen gelassenen 75 000 Euro, die der Pokerfan beim Zocken gewonnen hatte. Dann die Geschichte mit der Geburtstagsfeier in einer Berliner Disco, als er zu früher Morgenstunde einer ungebetenen Fotografin das Smartphone entwendete, um beherzt die Löschtaste zu drücken. Dumm nur, dass es sich bei der jungen Dame um eine Mitarbeiterin der „Bild“-Zeitung handelte. Bundestrainer Joachim Löw strich den Angreifer daraufhin aus dem Kader für die beiden Länderspiele gegen England und Italien. Und als ob dies alles nicht genug Stoff für eine Woche wäre, tauchte auch noch ein intimes Video im Internet auf, auf dem mutmaßlich Max Kruse zu sehen ist.

Losgelöst von der Frage, warum die Eskapaden in der Kürze der Zeit öffentlich wurden (und wer ein Interesse daran haben könnte), diskutiert der Boulevard Bundesliga nun, was die Herren Profis in ihrer dritten Halbzeit alles dürfen – und was nicht.

Besagter Kevin Großkreutz vertritt eine klare Meinung: „Mein Gott. Jeder Mensch macht Fehler und hat nen Privatleben. Aber jeder Depp darf dich beleidigen und heimlich Fotos machen, weil se heutzutage nichts anderes zu tun haben?! Nur weil man Profi ist, muss man sich alles gefallen lassen?!“, sprang er seinem Wolfsburger Kollegen zur Seite. Der Beitrag erhielt viel Zustimmung bei Fans, und auch Daniel Didavi pflichtete Großkreutz bei: „Respekt, Kevin! #nomorewordsneeded“ (damit ist alles gesagt).

Der VfB setzt auf Eigenverantwortung

Ist es das? Aus rechtlicher Sicht natürlich nicht. Die Causa Kruse beschäftigt bereits die Anwälte. Konkret der Handystreit in der Berliner Disco. Früher wäre der Fall leichter zu beurteilen gewesen. Der Profi und Nationalspieler mit einem geschätzten Jahresgehalt von fünf Millionen Euro hätte als relative Person der Zeitgeschichte gegolten, wenn nicht gar als absolute Person der Zeitgeschichte. Für sie galt als Faustregel, dass sie weitgehend zum Gegenstand von Bildreportagen gemacht werden durften. Doch dann kam Caroline von Monaco. Die Prinzessin stritt sich wegen privater Aufnahmen beim Einkaufen durch die Instanzen bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – der ihre Rechte weitgehend stärkte.

Seither wird das Persönlichkeitsrecht auch von deutschen Gerichten stärker geschützt als früher. Die Begriffe relative oder absolute Person der Zeitgeschichte wurden zu Gunsten der „Person im Blickpunkt der Öffentlichkeit “ aufgelöst. Und die muss sich von unerwünschten Fotografen und Selfie-Schießern weit weniger gefallen lassen.

Dabei kommt es weniger darauf an, wie bekannt der Fußballer oder Schauspieler als Person nun ist. Entscheidender ist das Ereignis. Also etwa die Frage – um zum Fall Max Kruse zurückzukehren – ob die Partyfotos vor oder nach einem Spiel entstanden sind. Oder welcher Anlass dahinter steckt. Was wiederum hieße, dass der Wolfsburger womöglich gute Karten hat, wenn er zum Schutz der Privatsphäre seine Geburtstagsparty ins Feld führt.

Und was das eigenmächtige Löschen von Fotos angeht? Da kann sich Kruse gegebenenfalls auf Notwehr berufen. Die greift zumindest im konkreten Moment des Fotografierens, danach wird’s schwierig. Und juristisch spitzfindig. Das Ganze ist eine riesige Grauzone. Es könnte daher sein, dass sich Kruse deshalb auch keinen Rechtsstreit liefern wird – Ärger mit seinem Arbeitgeber hat er schon genug.

Wolfsburgs Manager Klaus Allofs hat seinem Schützling bereits ein professionelleres Verhalten nahegelegt. Das machen die Verantwortlichen des VfB Stuttgart im Übrigen auch – ohne dass sie ihren Pappenheimern einen konkreten Kodex vorschreiben würden. Man setze auf Eigenverantwortung, jeder Fall würde einzeln bewertet, heißt es. Die Zeiten besonderer Vorkommnisse auf dem Wasen scheinen eh der Vergangenheit anzugehören. Wo sich selbst Kevin Großkreutz zum Musterprofi entwickelt hat.