Die Mare Jonio mit 49 aus Seenot Geretteten an Bord durfte am Dienstagabend doch überraschend schnell im Hafen von Lampedusa anlegen. Foto: ANSA via AP

190 Menschen mussten tagelang auf der „Diciotti“ ausharren, bis sie in einen italienischen Hafen fahren konnten. Ein juristisches Nachspiel wird die Härte von Innenminister Salvini nicht haben. Der ließ am Dienstabend überraschend die „Mare Jonio“ in Lampedusa anlegen.

Rom - Der italienische Senat hat am Mittwoch gegen die Aufhebung der Immunität von Innenminister Matteo Salvini gestimmt. Damit wurde ein Prozess gegen den Lega-Chef abgewendet. Die Staatsanwaltschaft von Catania hatte gegen den 46-Jährigen Ermittlungen eingeleitet. Salvini hatte im vergangenen August dem Schiff „Diciotti“ der italienischen Küstenwache, das zeitweise 190 aus dem Mittelmeer gerettete Migranten an Bord hatte, untersagt, an einem italienischen Hafen anzulegen. Ermittelt wurde demnach wegen „Entführung, Amtsmissbrauch und illegaler Festnahme“.

Am Dienstagabend durfte die „Mare Jonio“, das Schiff der privaten Seenotrettungsorganisation „Mediterranea Saving Humans“, überraschend doch in den Hafen von Lampedusa einlaufen. Salvini hatte wenige Stunden zuvor noch betont, die 49 Migranten, die die Besatzung am Montag etwa 40 Seemeilen vor der libyschen Küste aus Seenot gerettet hatte, würden italienischen Boden nicht betreten können. Der Bürgermeister von Lampedusa hatte hingegen erklärt, der Hafen seiner Stadt sei für das Schiff offen.

Ermittlungen gegen Schiffsbesatzung

Das schnelle Einlenken Salvinis im Fall der „Mare Jonio“ dürfte damit begründet sein, dass italienische Behörden am Dienstagabend die Beschlagnahme des Schiffs angeordnet haben. Die Staatsanwaltschaft der sizilianischen Stadt Agrigent soll außerdem wegen Begünstigung illegaler Migration gegen die Besatzung des Schiffes ermitteln.

Das Innenministerium hatte am Montagabend, nachdem die „Mare Jonio“ um Einfahrt in einen italienischen Hafen gebeten hatte, eine neue - von Salvini unterschriebene - Richtlinie herausgegeben. Darin wird die Priorität der Rettung von Menschenleben auf dem Mittelmeer betont, nach einer solchen Rettung müsste jedoch „im Einvernehmen mit den nationalen Autoritäten“ gehandelt werden, die für den jeweiligen Fall territorial zuständig sind. Laut Salvini hat sich die Besatzung der „Mare Jonio“ den Weisungen der libyschen Küstenwache widersetzt und sich unerlaubt Italien genähert, anstatt nach Libyen oder Tunesien zu fahren. Die privaten Retter weigern sich prinzipiell, die Häfen in Libyen als im völkerrechtlichen Sinne „sicher“ anzuerkennen. Wer explizit gegen die Regeln für Rettungseinsätze verstoße, müsse mit Sanktionen rechnen, heißt es in der Weisung aus dem Innenministerium weiter. Ein Zuwiderhandeln würde als absichtliche Begünstigung illegaler Migration und von Menschenhandel angesehen.

Die „Mare Jonio“ war bis Anfang dieser Woche das einzige Schiff privater Hilfsorganisationen, das noch auf dem Mittelmeer im Einsatz war. Weitere, wie die „Aquarius“ oder „Sea Watch 3“, sind entweder von den Behörden konfisziert oder es werden Wartungsarbeiten durchgeführt. Die neuen Regelungen von Innenminister Salvini, die anscheinend direkt auf den Fall der „Mare Jonio“ angewandt werden, dürften die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen auf dem Mittelmeer noch einmal extrem erschweren, wenn nicht gar komplett zum Erliegen bringen.

Unterstützung für die libysche Küstenwache

Italien und die Europäische Union unterstützen die libysche Küstenwache mit Ausbildung und Ausstattung, damit diese die Boote mit den Migranten am Auslaufen hindern, oder Rettungsaktionen in libyschen Gewässern selbst durchführt. Die Menschen werden dann in das von Bürgerkrieg zerrüttete instabile Land zurückgebracht, vom UNHCR in Empfang genommen und in offiziellen Flüchtlingslagern untergebracht. Allerdings gibt es auch aus diesen Lagern Berichte über unzumutbare Zustände und unmenschliche Behandlung. In diesem Jahr sind rund 400 Menschen von Nordafrika über das Mittelmeer nach Italien gekommen. Nach Spanien kamen über den Seeweg im selben Zeitraum etwa 5000 Menschen, nach Griechenland 4614. Im Vorjahr sind insgesamt 144 166 Menschen über das Mittelmeer nach Europa gekommen, 2016 waren es 390 432.