Nur Mogli (Neel Sethi) ist echt in der aktuellen Realverfilmung des „Dschungelbuchs“ – wie Bär Balu und die anderen Tiere in Computern zum Leben erwachten, zeigt die Fachkonferenz FMX Foto: Verleih

Menschen wollen getäuscht werden – darauf fußt die Film- und Medienindustrie. Wie Illusionen in bewegten Bildern erzeugt werden, das zeigen Spezialisten aus aller Welt von diesem Dienstag an beim Stuttgarter Trickfilm-Festival.

Stuttgart - Die Revolution dauert etwas länger. Das Digitale durchdringt zwar das Leben, aber zugleich rücken die Qualitäten des Analogen stärker ins Bewusstsein. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die FMX, bei der internationale Gäste Animation, Effekte (VFX), Spiele und Transmedia diskutieren.

Rob Legato, VFX Supervisor bei Disneys neuem „Dschungelbuch“, erklärt, wie all die digitalen Tiere in den digitalen Urwald kamen – und wie ein einziges Menschenkind darin Raum fand. Ein Team vom kalifornischen Effekt-Studio ILM zeigt, wie in „Star Wars VIII“ reale Modelle – etwa der Millennium-Falke – eingebettet wurden in virtuelle Realitäten (VR). Selbige sind ein Thema für sich.

Die FMX nutzt ihre Ausstellungsfläche im Haus der Wirtschaft jenseits der Vortragssäle, die Annäherung ans Thema zu vertiefen, die vor einem Jahr begonnen wurde: Die Besucher bekommen wieder Gelegenheiten, via Datenbrille in völlig andere Welten einzutauchen, vor einer VR-Bühne können sie live erleben, wie schauspielerische Darstellungen vor Nichts direkt in digitale Charaktere in digitaler Umgebung einfließen.

Die Technik allein hat wenig Wert ohne erzählenswerte Inhalte

Die Technik allein freilich hat wenig Wert ohne erzählenswerte Inhalte – manch effektgespickter Action-Film bezeugt es. So sieht das auch Andreas Hykade, erfolgreicher Trickfilmkünstler („Nuggets“) und seit 2015 Leiter des Animationsinstituts der Ludwigsburger Filmakademie, das die FMX veranstaltet. Sein Einfluss beim Kongress ist spürbar schon im Trailer, früher stets geprägt von hoch technischer Finesse. „Jazz Orgie“ der Ludwigsburger Animations-Studentin Irina Rubina nun ist ein Feuerwerk abstrakter Formen.

„Ich kann da nicht geschmäcklerisch agieren“, entgegnet Hykade, „es geht darum, die Qualität der FMX zu erhalten. Aber dieser Trailer kann Leuten bewusst machen, dass das, was sie als 100 Jahre alt assoziiert haben, womöglich 20 Jahre in die Zukunft weist – gerade wegen der Abstraktion. Ohne ein Statement dieser Art hätte sich der FMX-Titel nicht entwickeln können.“

Geistiges Eigentum als Brücke zwischen Technik und Kunst

Der lautet „Blending Realities“, und die Realitäten, die sich da mischen sollen, liegen auf der Hand: Der Kongress braucht eine Klammer zwischen der Sphäre der digitalen Effekte und jener der künstlerischen Animation. „Es gibt keine Diskrepanz zwischen Kunst und Technik, zwischen Kunst und Kommerz“, sagt Hykade. „Der entscheidende Begriff ist ,IP‘, ,Intellectual property‘, geistiges Eigentum. Darüber werden wir uns alle finden.“ Erlebt habe er das mit Volker Helzle, dem Leiter Forschung und Entwicklung am Animationsinstitut: „Wie können wir in einen Dialog treten? Indem wir ein Vokabular finden, das beiden eine Identifikation bietet, einen Interpretationsraum. Wir assoziieren das Kreative bewusst mit Technologie, nur so kann es eine Hochzeit geben, nur so kann das mehr sein als Diplomatie.“

„IP“ ist für Hykade auch die Brücke zu großen Playern wie Disney. „Die wissen: Micky Maus gehört uns! Wenn die sich auf ihre Wurzeln besinnen, steht hinter ihnen eine 100-jährige Geschichte; wenn sie sie vergessen, entstehen seelenlose Filme wie die Fortsetzung des animierten ,Dschungelbuchs‘. Ich freue mich über den aktuellen Film, über diese neue Realität, die die unsere berührt. Daraus können wir alle viel lernen.“

Einige FMX-Referenten geben dem Publikum Einblicke

Der im bayerischen Altötting geborene Animator ist lange in Stuttgart, er gehört zur ersten Generation der Filmakademie-Absolventen. Sein Augenmerk gehört auch der Region, die zum deutschen Animationsstandort Nummer eins aufgestiegen ist und international mitspielt. Stuttgarter VFX-Häuser wie Pixomondo („Bridge Of Spies“) und Mackevision („Game Of Thrones“) sind auf der FMX vertreten.

Und Angela Steffen, Absolventin des Animationsinstituts. Sie hat beim Stuttgarter Studio Filmbilder die Serie „Meine Schmusedecke“ entwickelt, in der Tiere auf einer Decke gemeinsam Probleme lösen. 2014 präsentierte sie bei der Branchen-Plattform Animation Production Day, den Trickfilm-Festival und FMX gemeinsam veranstalten – und gewann die britische BBC als Partner. Nun zeigt Steffen die erste Staffel bei der FMX, und Hykade sieht in ihr eine Bestätigung seiner „IP“-These: „Das ist sie, außen und innen, absolut selbstbestimmt.“

Einige Referenten geben dem Publikum beim Trickfilm-Festival im Gloria-Kino Einblicke, wie die Filme „Zoomania“, „Mad Max“ oder „Der kleine Prinz“ entstanden sind. Das Wissen darum schmälert die Illusion kein bisschen – eher im Gegenteil.

Informationen im Netz: www.fmx.de

www.meineschmusedecke.de