„Die Ernte wird erst im nächsten Jahrzehnt eingefahren“, meint Andreas Renschler. Foto: laif

Der frühere Daimler-Manager Andreas Renschler will in Diensten des VW-Konzerns einen globalen Lkw-Riesen aufbauen. Dazu muss er aber auch die früheren Rivalen überzeugen, was nicht immer ganz einfach ist.

Stuttgart - MAN und Scania waren sich früher spinnefeind. Nun sollen sie als Teil der zum VW-Konzern gehörenden Traton Group gemeinsame Sache machen. Dies ist nicht immer einfach, wie Traton-Chef Andreas Renschler einräumt.

Herr Renschler, in welcher Rolle sehen Sie sich als Vorstandschef der Traton Group. Sind Sie Vordenker, Coach oder Schiedsrichter, wenn es zwischen MAN und Scania wieder einmal Reibereien gibt.

Es ist eine Mischung aus vielem. Manchmal muss man etwas nachhelfen und manchmal etwas bremsen. Wichtig ist auch immer wieder Impulse zu geben, wenn die Organisation anfängt, sich auszuruhen. In der Zusammenarbeit zwischen MAN und Scania haben wir schon viel erreicht. Auf der diesjährigen IAA Nutzfahrzeuge sind beide freundschaftlich in einer Halle vereint. Vor zehn Jahren wäre dies wohl eher schwierig gewesen.

Dennoch müssen Sie gewiss ab und zu schlichten.

Natürlich gibt es manchmal Ängste, etwa wenn wir ein Getriebe von Scania nehmen und daraus ein Getriebe von MAN machen. Da gibt es dann Mitarbeiter, die sagen, das geht nicht. Aber nicht aus fachlichen Gründen, sondern weil sie Angst um ihren Job haben. Das müssen wir dann erklären. Wichtig ist, dass die Mitarbeiter unsere Strategie verstehen: Gemeinsam sind wir einfach stärker, als jeder allein. Nur so können wir die massiven Veränderungen in unserer Branche langfristig erfolgreich gestalten, Skaleneffekte erreichen und ein Global Champion werden.

Was zeichnet den globalen Champion aus? Geht es um die weltweite Spitze beim Absatz?

Nein, es ist kein Wettrennen um einen möglichst hohen Absatz. Auf Basis unserer starken Aufstellung bauen wir die Präsenz unserer Marken weiter aus und nutzen unser Netzwerk aus starken Partnern für den Zugang zu allen relevanten Märkten. Gleichzeitig wollen wir eines der profitabelsten Unternehmen der Branche werden mit einer Umsatzrendite von neun Prozent über den Konjunkturzyklus.

Bis wann soll der globale Champion aufgebaut sein? Sie sind in diesem Jahr 60 geworden. Wollen Sie das Ziel noch in Ihrer Amtszeit als Vorstandschef von Traton erreichen?

Es gibt kein konkretes Jahr für dieses Ziel. Wir sind ja ein ziemlich junges Unternehmen und haben seit unserer Gründung im Jahr 2015 in kurzer Zeit bereits viel erreicht. Wir haben zahlreiche Projekte gestartet, mit denen wir Kostenvorteile durch höhere Stückzahlen erreichen können, indem wir gemeinsame Basismotoren, Getriebe und Elektronikkomponenten in Fahrzeugen mehrerer Marken verwenden. Die Ernte wird aber erst im nächsten Jahrzehnt eingefahren. Dann beginnen wir mit unserem gemeinsamen Basismotor bei Scania, der später auch von anderen Marken übernommen wird.

Partnerschaften sollen dazu beitragen, dass sie höhere Stückzahlen und damit Kostenvorteile erreichen. Zu den Partnern zählt auch der US-Lkw-Bauer Navistar. Muss man auf diesem Weg aber nicht mehr Überzeugungsarbeit bei solchen Projekten leisten, als wenn man wie Daimler ein eigenes Tochterunternehmen in Amerika hätte, das zur Familie gehört?

Das ist richtig. Natürlich muss man immer belegen, dass von einer Partnerschaft beide Seiten profitieren. In der heutigen Zeit können wir aber gerade durch smarte Partnerschaften noch erfolgreicher sein. Dieses Denken: Ich mache alles allein und will überall das Sagen haben, funktioniert nicht mehr. Traton ist durch Kooperationen einfach schneller und flexibler bei der Umsetzung innovativer Lösungen. Man kann in einer Partnerschaft aber durchaus an einen Punkt kommen, wo es sich lohnt, über eine Vertiefung der Zusammenarbeit nachzudenken.

Gilt dies etwa für Navistar?

Das steht aktuell nicht auf unserer Agenda, die sehr gut gefüllt ist. Wir haben die Belegschaft unserer Gruppe in drei Jahren von Null auf 150 Leute aufgestockt. Zudem sind wir unabhängiger von Volkswagen geworden, was auch sinnvoll ist. Denn Pkw- und Lkw-Geschäft unterscheiden sich grundlegend. Darüber hinaus wollen wir Traton bis zum Jahresende kapitalmarktfähig machen. Das heißt aber nicht automatisch, dass wir dann auch gleich an die Börse gehen. Wir bereiten uns vor. Die Entscheidung über den nächsten Schritt werden unsere Eigentümer dann zu gegebener Zeit treffen.

Was kann Sie denn noch aufhalten? Die Milliarden aus einem Börsengang könnten Sie doch gut gebrauchen.

Ein Börsengang hängt von vielen Faktoren ab, wie etwa von der Entwicklung des Kapitalmarkts. Das Umfeld für den Kapitalmarkt ist volatil und es gibt immer wieder politische Überraschungen, nicht nur in den USA. Nehmen Sie zum Beispiel die Entwicklung im Iran-Geschäft. Scania war dort schon immer stark. Wir hätten dort hervorragende Stückzahlen erreichen können. Nachdem die USA die Sanktionen wieder in Kraft gesetzt haben, mussten wir diese Aktivitäten einstellen.

Sie wollen eine Rendite von neun Prozent erreichen. Das ist sportlich. Daimler peilt acht Prozent an.

Die neun Prozent gelten für die gesamte Traton Group. Die eingeleiteten Synergieprojekte werden uns dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen. Andere Hersteller haben schon die Größenvorteile gemeinsamer Motoren und Getriebe für mehrere Marken eingefahren, wir haben dieses Synergiepotential noch vor uns.

Bei MAN hapert es aber noch.

Wir haben es in kurzer Zeit geschafft, die Ertragskraft von MAN auf ein höheres Niveau zu heben. Als ich meinen Job übernommen habe, lag der Gewinn bei 100 Millionen Euro, jetzt sind es immerhin zwischen 500 und 600 Millionen. Es ist aber richtig, dass wir uns darauf nicht ausruhen werden. Das gilt übrigens für die Traton Group insgesamt. Auch wenn wir schon sehr viel erreicht haben, bin ich fest davon überzeugt: das Beste liegt noch vor uns. Auf der diesjährigen IAA kann jeder eindrucksvoll sehen, mit welcher Innovationskraft Traton unterwegs ist. Beispielsweise zeigt MAN dort den vollelektrisch angetriebenen City-Truck CitE – ein zukunftsweisendes Fahrzeugkonzept für leisen und sauberen Transport innerhalb von Städten.