Bisher hielten sich die Deutschen beim Einsatz von Giro- und Kreditkarten zurück. In Zeiten von Corona wird das bargeldlose Zahlen attraktiv. Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

In Zeiten von Corona verändert sich viel, auch der Alltag. Was bisher als üblich und höflich galt, wird nun als unangemessen oder gar gefährlich empfunden – und umgekehrt.

Stuttgart - Das Virus beeinflusst die Welt. Und nicht zuletzt die Definition von gutem Benehmen. Die Grundregel im zwischenmenschlichen Umgang lautet zwar: Umsicht, Rücksicht und Nachsicht zum Wohle aller. Dennoch wird manches, was bis vor Kurzem noch ganz normal war, inzwischen als deplatziert empfunden. Einige Beispiele.

Begrüßung

Schon in frühester Kindheit hieß es: „Gib brav die Hand!“ Doch nach gut zwei Monaten Pandemie scheint der Handschlag ausgedient zu haben, vielleicht für immer. Als unhygienisch galt er schon lang. Dennoch hätte keiner vermutet, dass er mal so in Verruf geraten könnte. Durchgesetzt hat sich zwar noch keine, aber es gibt viele Alternativen: die Ghetto-Faust, den Ellbogentanz und den Wuhan-Shake, bei dem sich die Füße berühren. Noch besser, da kontaktlos: die Namaste-Geste, also gefaltete Hände vor der Brust. Ebenfalls empfehlenswert ist der Winnetou-Gruß, bei dem der rechte Arm mit ausgestrecktem Zeige- und Mittelfinger zum Herzen und wieder zurück geht.

Berührungen

Nicht nur beim Handschlag, die Alarmglocken schrillen generell bei zu großer Nähe. Der Virologe Julian Tang drückt es so aus: „Wenn man riechen kann, was die Person gegenüber zu Mittag hatte, dann atmet man ein, was sie ausatmet, auch die Viren.“ Die Konsequenz: Obwohl Begegnungen außerhalb des engsten Kreises wieder möglich sind, ist Abstand zu halten. Leider. Denn Berührungen sind für das menschliche Wohlbefinden essenziell. Doch ob Umarmung, Küsschen, Schulterklopfen – Körperkontakt ist auf lange Zeit nicht angesagt. Stattdessen könnte man verbale Streicheleinheiten verteilen, indem man zuhört, lobt, Komplimente macht, tröstet. Auch so lässt sich Wertschätzung und Zuneigung vermitteln.

Bezahlen

Beim bargeldlosen Bezahlen haben sich die Deutschen bisher skeptisch gezeigt. Inzwischen ist kontaktloses Zahlen im Trend. Die Anzahl der Bezahlvorgänge mit der Girocard hat sich im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten um 50 Prozent erhöht, teilt die Deutsche Kreditwirtschaft mit. Obwohl wahrscheinlich keine große Ansteckungsgefahr besteht, scheinen die Tage des Bargelds somit gezählt. Und wer den Kontakt mit den aus hygienischer Sicht dubiosen PIN-Pads an der Kasse vermeiden möchte, setzt gleich aufs Bezahlen per Smartphone.

Bekleidung

Schutzmasken gehören nun zum Alltag. Doch sie verändern die Kommunikation: Man wird schlechter verstanden, nicht nur akustisch. Denn die Maske verdeckt einen Großteil des Gesichts, womit der Ausdruck und somit die Gemütslage des Gegenübers kaum noch einschätzbar ist. Die Folge: Gestik, Körperhaltung und auch die Mimik der Augenpartie gewinnen an Bedeutung. Der bewusste und kreative Einsatz dieser Mittel, hilft, Missverständnisse zu vermeiden.

Bewegung

Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, schont die Umwelt. Doch Klimaschutz hin oder her: Derzeit fahren viele lieber mit dem eigenen Auto statt mit Bus und Bahn von A nach B, denn im Gedränge steigt das Ansteckungsrisiko. Alternativ bewegt man sich mit dem Rad oder zu Fuß – was entschleunigt und gesund ist. Überhaupt stellt sich die Frage, wie wir künftig mobil sein werden. Bauen Fluggesellschaften ihre Maschinen im Sinne des Infektionsschutzes um? Wird das Fliegen dadurch teurer? Werden Fernreisen unerschwinglich und stattdessen Ausflüge und Urlaub in der näheren Umgebung attraktiv? Zumindest für diesen Sommer gilt das auf jeden Fall.

Bewirtung

Die Möglichkeit zum Umtrunk oder zur Feier mit Freunden oder Kollegen rückt näher. Doch dabei wie einst Schälchen mit Chips und Nüsschen zu befüllen, in die dann jeder beherzt greift, ist undenkbar. Überhaupt sollte nicht mehr mit den Fingern gegessen werden. Auch bei einem Büfett würde sich wohl kaum noch jemand genüsslich bedienen. Und die Zeiten, in denen man Kekse, Schokolade und Gummibärchen zum freien Zugriff ins Büro mitbrachte oder beim Kindergeburtstag auslegte, könnten auf immer vorbei sein. Wie bewirtet man also künftig? Privat wie gewerblich wird der Trend wohl zu Einzelportionen gehen – und zu Verpacktem, auch wenn das mehr Müll produziert.

Da die Etikette stets im Wandel ist, wird man sich an vieles gewöhnen. Oder um es mit Adolph Freiherr Knigge zu sagen: Alles wird gut. Damit schloss der Urvater des Benimms stets seine Briefe – wie beruhigend.