Das Personal hört manches mit, was nicht für seine Ohren bestimmt ist: Forest Whitaker (li.) als Butler und Liev Schreiber als US-Präsident Lyndon B. Johnson. Foto: Prokino

50 Jahre im Weißen Haus: Im Leben eines afroamerikanischen Butlers spiegelt Lee Daniels die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung.

Filmkritik und Trailer zum Kinofilm "Der Butler"

Stuttgart - Sieben US-Präsidenten hat Eugene Allen kennengelernt, von 1957 bis 1986 war er im Weißen Haus tätig. Der afroamerikanische Regisseur Lee Daniels („Precious“, 2009) hat seine Geschichte nun fürs Kino fiktionalisiert: Er stilisiert den kleinen Mann, der es vom rechtlosen Baumwollpflücker ins Zentrum der Macht geschafft hat, zu einem heimlichen Helden der Bürgerrechtsbewegung.

Die Frontlinie verläuft innerhalb der Familie des Butlers, der im Film Cecil Gaines (Forest Whitaker) heißt. Während er glaubt, als dienstbarer Geist das Herz der Weißen für Afroamerikaner zu gewinnen, kämpft sein Sohn Louis (David Oyelowo) auf der Straße für gleiche Rechte, wird von Polizisten verprügelt, inhaftiert, vom Ku-Klux-Klan bedroht. Hier gelingen Daniels seine stärksten Szenen: Parallel montiert deckt der Vater eine noble Essenstafel ein, während der Sohn in bürgerkriegsähnlichen Situationen Kopf und Kragen riskiert.

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Das aber ist nur ein Aspekt der Handlung – oft schiebt sich ein rührseliges Familienmelodram in den Vordergrund. Ausführlich zeigt Daniels Gaines’ Kindheit und Flucht, seine Ausbildung zum Diener, seinen Sprung nach Washington. Dort fokussiert er aufs Kleine: Cecil arbeitet nonstop, seine vereinsamende Frau (sehr präsent: Oprah Winfrey) verfällt dem Alkohol, die Nachbarn haben auch ihre Probleme.

Das Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn beginnt am Essenstisch: Louis hat eine militante Freundin dabei, die ungeniert rülpst und auch sonst glaubt, Revolutionäre bräuchten keine Manieren. Als beide Cecil seine Unterwürfigkeit vorhalten, wirft er sie hinaus – und braucht dann allzu viele Anläufe, bis er seinem Sohn endlich verzeiht.

Was Daniels rettet, ist sein Hauptdarsteller: Forest Whitaker („Ghost Dog“, 1999, „Der letzte König von Schottland“, 2006) trägt den Film, macht den Butler zum Charakter, altert in atemberaubender Perfektion allein durch Körpersprache – anfangs wirkt er vital und voller Spannung, am Ende schlurft er gebeugt durchs Weiße Haus. Dort stellt Daniels die Dynamik unter den Angestellten (Terrence Howard, Lenny Kravitz, Cuba Gooding jr.) heraus und Situationen, in denen der Butler im Oval Office Details mithört, die nicht für ihn bestimmt sind.

Die Präsidentendarsteller zeigen sehr unterschiedliche Leistungen: Liev Schreiber glänzt als raubeiniger Lyndon B. Johnson, der durch die offenstehende Klotür raunzt, Robin Williams ist als Eisenhower zu knitz, James Marsden als Kennedy zu hübsch und Alan Rickman als Reagan zu englisch distinguiert, John Cusack überzieht als Nixon, wie er nach Watergate schwitzend und bleich auf dem Sofa hängt und gar nicht versteht, was alle von ihm wollen.

So langatmig Daniels zwischendurch wird, so sehr kommt er mitunter außer Puste beim Marathonlauf durch die Jahrzehnte. Für den Beginn der Bürgerrechtsbewegung in den 1960ern nimmt er sich Zeit, vieles andere aber reißt er nur holzschnittartig an – die 1970er überspringt er gar mit einer dürftigen Nachrichten-Collage. Viel stringenter erscheint im Vergleich, wie „Forrest Gump“ (1994) durch die Zeit treibt – nicht nur, weil er als Mann mit dem Gemüt eines Kindes verwundert auf die jeweilige Zeit blicken kann, sondern auch, weil er von interessanteren Figuren umgeben ist wie dem Vietnam-Veteranen Lieutenant Dan oder dem skurrilen Shrimp-Fischer Bubba.

Am Ende legt Daniels sich nur in Sachen Gewalt fest: Der militante Malcolm X war auf dem Holzweg. Ansonsten bleibt er zwiespältig und uneindeutig, stellt das Wirken der Diener in den Palästen auf eine Stufe mit dem Wirken derer, die auf der Straße gegen die Segregation gekämpft haben. Müssen sich diskriminierte Minderheiten also nur beharrlich und diszipliniert hochdienen, um irgendwann von selbst als gleichberechtigt respektiert zu werden? Das wäre sicher eine allzu blauäugige Annahme.

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