Zwei Grenzdörfer in der Republik Irland und in Nordirland fürchten den Brexit mehr als alle anderen. Sie haben die Teilung des Landes längst überwunden. Doch was wird jetzt?
Blacklion - Fahre man nach Nordirland hinüber, müsse man eine Extragebühr bezahlen, denn dort sei eine andere Firma zuständig, hatte der Mietwagenverleih in Dublin gewarnt. Aber wo endet die Republik Irland und wo beginnt Nordirland? Das ist für Reisende nicht so leicht zu erkennen, wenn sie beispielsweise in die verregneten Grenzdörfer Blacklion (Republik Irland) und Belcoo (Nordirland/Vereinigtes Königreich) fahren, die nur ein paar Meter voneinander entfernt liegen. Sie sind durch eine Brücke über den Laugh Macnean getrennt und gelten in Irland als „geteilte Stadt“ . In der Diskussion über den Brexit ist die Rede von der „harten Grenze“, die wieder eingeführt werde, wenn das von der britischen Premierministerin Theresa May eingefädelte Abkommen mit der EU nicht durchs Parlament in London gehen sollte. Mit Mays Abkommen, so deren Befürworter, werde es eine „softe Grenze“ geben.
„Es soll alles bleiben, wie es ist“
In Blacklion mit seinen 200 Einwohnern und Belcoo mit seinen 500 Einwohnern will man aber von alledem gar nichts wissen, weder von „soft“ noch von „hart“. „Jede Veränderung werde eine Verschlechterung bringen. Es sollte alles so bleiben, wie es ist“, sagt der Wirt des Oak Tree Cafés in Belcoo, und der Besitzer des benachbarten Leo’s Liquor Store pflichtet ihm bei. „Die Leute hier sind verunsichert, sie wissen nicht, was auf sie zukommt.“ Am „Brexit“, so meint die Verkäuferin vom Spar, der auch die Post beherbergt, sei überhaupt nichts gut. Was solle er denn bringen? Wieder Zollkontrollen, wie vor der Zeit der Europäischen Union? Wieder militärische Checkpoints, wie während der irischen Unruhen zwischen den protestantischen Nordiren und den Katholiken der Republik Irland, die beiden Dörfern einige tödliche Zwischenfälle brachten? Zuletzt war es 1992 ein 25-jähriger Polizist der Royal Ulster Constabulary, der von einem IRA-Scharfschützen an einem Kontrollpunkt in Belcoo erschossen wurde.
Aber heute spricht in Belcoo und Blacklion keiner gerne über diese tragische Zeit und verweist lieber auf die harmonische Ära seit dem Karfreitagsabkommen von 1998, dass zwischen Dublin und London geschlossen wurde, einen Frieden brachte und die Grenze verschwinden ließ.
Man kauft auf der anderen Seite der Grenze ein
Beide Seiten leben gut miteinander, und von einer Demarkationslinie ist nichts erkennbar, zumindest fast nichts: Weder ein Ländersymbol auf Schildern noch ein EU-Zeichen,noch irgendein Hinweis deutet an, dass hier ein EU-Mitgliedstaat endet und ein anderer beginnt. Nur die verschiedenen Tempolimit-Schilder – „30 Miles“ auf der nordirischen Seite, „50 Kilometer“ auf der irischen – lassen die Grenze ahnen. Und ein Hotel in Belcoo trägt noch den Namen Zollhaus, gleich daneben ist eine Wechselstube, obwohl in beiden Dörfern sowohl der Euro als auch das Pfund Sterling akzeptiert werden. Vor allem die nordirische Industrie, heißt es, könnte von einem harten Brexit gebeutelt werden. 25 Prozent der nordirischen Exporte gehen in die irische Republik. Die immerhin exportiert fast 13 Prozent ihrer Waren nach Großbritannien. Auch Blacklion und Belcoo sind geprägt vom Handel und Handel. Staus auf der Brücke gibt es keine, 80 Prozent des Warenverkehrs über der grünen Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland entfalle auf den Mittelstand, sagt eine Studie. „Wir kaufen drüben ein, dort gibt es zwei Supermärkte und eine Tankstelle – die haben wir hier gar nicht“, sagt Maggi McCarley, Direktorin des Tourismusbüros, die mit einer Bekannten im mittelalterlichen Marktamt von Blacklion sitzt, wo ihr Amt untergebracht ist. Drüben, auf der nordirischen Seite, sei es halt auch preisgünstiger. Touristisch gesehen herrscht Nebensaison, aber im Sommer kommen die Gäste, allen voran Deutsche, Amerikaner, Engländer.
Jetzt stricken sie zusammen
In beiden Dörfern gibt es ein paar Pubs. Blacklion hat wenigstens einen kleinen Metzgersladen, sonst aber nicht so viel zu bieten wie Belcoo. Immerhin macht Maggis Tourismusbüro auch grenzüberschreitende Werbung für das nordirische Belcoo, es verkauft Postkarten von dort und verteilt Prospekte über den Marmorbogen-Geopark mit seinen berühmten Höhlen, der auf beiden Seiten der Grenze liegt.
Wenn Maggi über die Menschen diesseits und jenseits der Grenze redet, spricht sie von Nordiren und Südiren. Ja, es werde auch nach drüben geheiratet, und es komme zu Fußballbegegnungen auf örtlichem Niveau. „Und wir haben jetzt gemeinsame Strickstunden und Yogaklassen für Blacklion und Belcoo, da kommen wir alle zusammen.“