Alle Welt schaut jetzt auf die Autobranche. Das ist ihre große Chance, einen weithin sichtbaren Kurswechsel zu vollziehen, meint unser Autor Klaus Köster.

Stuttgart - Das Grundgesetz schützt Leben und Gesundheit. Wenn der Bund dieser Verpflichtung nicht nachkommt, muss das Land eigene Wege suchen, die Grundrechte seiner Bürger durchzusetzen. Härter hätte das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart zu möglichen Fahrverboten kaum ausfallen können. Dem Ziel des Landes, Fahrverbote zu vermeiden, indem Dieselfahrzeuge nachgerüstet werden, hat das Gericht eine klare Absage erteilt.

Für die von Betrugsvorwürfen, Razzien und einem schweren Kartellverdacht gebeutelte Autoindustrie kommt dieses Urteil zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt – sollte sie doch möglichst geschlossen auftreten, wenn am kommenden Mittwoch in Berlin der große Gipfel zur Zukunft der Branche stattfinden wird. Doch dieser tiefe Fall in kürzester Zeit bietet auch die Chance zur Umkehr.

Große Selbstgerechtigkeit

Viele Jahre lang bewegte sich ein Großteil der Autoindustrie offensichtlich in einer Grauzone, bestenfalls. Beim Diesel wurden Autos auf gute Testergebnisse hin entwickelt – die Schadstoffe, die man auf dem Prüfstand einsparte, wurden jedoch in den Jahren danach doppelt und dreifach in die Atemuft gepustet.

Um den Kunden das Nachtanken von Harnstoff für die Abgasreinigung zu ersparen, entwickelte man mit großem Aufwand Technologien, die offensichtlich nur dazu dienten, den tatsächlichen Schadstoffausstoß zu verschleiern und schlank durch die Tests zu kommen.

Auch als der Skandal sichtbar wurde, reagierten viele Hersteller mit großer Selbstgerechtigkeit. Das Geschäftsmodell, das hier sichtbar wird, ist sicher nicht zukunftsfähig - ohne das Vertrauen der Bürger und auch der Politik hat die Branche keine Chance. Auch das Gericht hatte offenbar keinerlei Vertrauen in die Zusagen der Autobauer.

Alle Welt schaut jetzt auf die Autoindustrie. Das ist ihre große Chance, verlorenes Vertrauen zurückgewinnen. Vieles hängt davon ab, ob sie diese nun endlich ergreift.