Seinen Ausweis hatte der Attentäter im Lastwagen dabei. Foto: AFP

Der nicht durch Frömmigkeit aufgefallene Terrorist von Nizza hat wohl kurz vor dem Attentat zur Religion gefunden und sich dabei radikalisiert.

Nizza - Der Terrorist, der in Nizza mit einem Lastwagen 84 Menschen in den Tod gerissen hat, ist doch ein religiöser Fanatiker. Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve hat dies am Wochenende klargestellt. Der von den Geheimdiensten nicht als potenziell gefährlicher Islamist erfasste, von Nachbarn und Bekannten als wenig fromm geschilderte Mann ist nach den Worten des Ministers „in sehr kurzer Zeit radikal-religiöser Gesinnung“ anheimgefallen. Ein vom „Islamischen Staat“ (IS) ins Internet gestelltes Bekennerschreiben weist in die gleiche Richtung. Die mit der Terrormiliz zusammenarbeitende Nachrichtenagentur Amak bezeichnet den Angreifer darin als „Soldaten des IS“, der dem Aufruf gefolgt sei, Bürger von Staaten umzubringen, die gegen den IS Krieg führten. Zuvor hatte allein die Vorgehensweise des 31-jährigen Tunesiers Mohamed Lahouaiej Bouhlel auf Verbindungen zum „Islamischen Staat“ hingedeutet. „Wenn ihr keine Bombe zünden, keine Kugel schießen könnt, behelft euch auf andere Weise, überfahrt sie mit eurem Auto“, hatte der IS-Sprecher Abou Mohamed   al-Adnani 2014 an die „Soldaten des Kalifats“ appelliert.

Der zuletzt in einem Mietskasernenviertel im Osten Nizzas lebende Mann, der seinen Lebensunterhalt als Lastwagen-Fahrer und Lieferant verdiente, hat eben dies getan. In einem Ausmaß freilich, das weit über das hinausgeht, was die Formulierung „mit dem eigenen Auto überfahren“ suggeriert. Zum Ende eines Frankreichs Nationalfeiertag beschließenden Feuerwerks raste er auf Nizzas Strandpromenade mit einem am 11. Juli gemieteten LKW durch die Zuschauermenge, tötete 84 Menschen, verletzte 202, 52 von ihnen lebensgefährlich, bevor er schließlich von Polizisten gestoppt und erschossen wurde.

In der Wohnung des Mannes fand sich zunächst nichts, was eine Neigung zum Dschihad erkennen ließe. Aufmerken ließ nur ein auf dem Mobiltelefon des Tunesiers registrierter Kontakt zu Omar Diaby. Der Franko-Senegalese soll für die Al-Nosra-Front, den in Syrien aktiven Al-Qaida-Ableger, zahlreiche Franzosen für den Dschihad rekrutiert haben, bevor er sich 2013 von Nizza nach Syrien absetzten ließ. Nach Auskunft der Ermittler lassen die Kontaktdaten aber keine weiterreichenden Schlüsse zu.

Im Lebenswandel des seit 2009 in Nizza lebenden Tunesiers hatte auch nichts darauf hingedeutet, dass er zum Terroristen werden könnte. Gewiss, gelegentlich war er mit dem Gesetz in Konflikt geraten, im März erstmals verurteilt worden. Sechs Monate Haft auf Bewährung lautete das wegen Körperverletzung verhängte Urteil. In einem nach einem Verkehrsunfall entbrannten Streit hatte Lahouaiej Bouhlel zu einer Holzpalette gegriffen und zugeschlagen. Jähzornsanfälle haben ihn nach Auskunft seines Vaters immer wieder heimgesucht.   Zuvor war Lahouaiej Bouhlel gelegentlich als Kleinkrimineller in Erscheinung getreten, hatte gestohlen oder war durch Sachbeschädigung aufgefallen. Auch soll er nach Angaben eines Familienmitglieds seine Frau geschlagen haben, die sich vor kurzem scheiden ließ. Aber dass der Mann eines Tages ein Attentat verüben könnte, dafür finden sich, wie Frankreichs Justizminister Jean-Jacques Urvoas bestätigte, in den Polizeiakten keine Anhaltspunkte.   Genauso wenig hat sich offenbar angedeutet, dass Lahouaiej Bouhlel sein Heil in der Religion suchen und zum Dschihadisten werden könnte. Mit dem Islam nahm er es nicht so genau. Er trank Alkohol, aß Schweinefleisch, tanzte Salsa, ging ins Fitnessstudios, gab sich als Frauenheld.