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Als 1970 der erste "Tatort" lief, prophezeite man der neuen Idee nur eine kurze Lebenszeit. Heute ist der "Tatort" die erfolgreichste Krimireihe Deutschlands.

Stuttgart - Als 1970 mit "Taxi nach Leipzig" der erste "Tatort" lief, prophezeite man der neuen Idee bei der ARD nur eine kurze Lebenszeit. Heute ist der "Tatort" die erfolgreichste Krimireihe Deutschlands. Immer wieder sonntags sitzt die Fernsehnation gebannt vor dem Bildschirm - bald zum 750. Mal.

Ein Blick aus kalten Augen, ein Fadenkreuz, die Beine eines Flüchtenden auf nassem Asphalt, dazu Klaus Doldingers Titelmelodie. Alles klar, es ist mal wieder Sonntagabend, und in der ARD beginnt der "Tatort". Bis zu zehn Millionen schalten ein, wenn eines der 15 Teams zwischen Bodensee und Kieler Förde auf Verbrecherjagd geht. Da heißt es dann: Alle Telefonate beenden. Schnell noch ein Getränk aus dem Kühlschrank holen. Und die nächsten 90 Minuten dranbleiben.

Bald, am 27. Dezember, läuft die 750. Folge, eine SWR-Produktion. Es ermitteln die Stuttgarter Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) in einem ergreifenden Fall. Es geht um ein Ehepaar über 80, dessen Liebe so schön ist, dass es einen im Innersten trifft. Und darum, wie man mit Alter und Alten umgeht. Eindrücklich komponierte Bilder, eine unter die Haut gehende Geschichte, eine unkonventionelle Erzählweise, ein brillant aufspielendes Ensemble: "Altlasten" ist ein Film, der aus der Reihe fällt. Was für die Krimireihe nicht ungewöhnlich ist.

Gesellschaftlich und politisch relevante Stoffe greift der "Tatort" schon seit der ersten Folge auf. 1970 löste der knorrige Walter Richter (Kommissar Trimmel) in "Taxi nach Leipzig" einen Kindermord an der innerdeutschen Grenze. Damals verstand sich das Fernsehen als gesellschaftskritisches Medium. Eine Nachwirkung der 68er-Bewegung. Doch noch heute polarisieren die Inhalte - ob die Obduktion einer Babyleiche in "Der frühe Abschied" (HR, 2008), eine Anleitung zum Suizid in "Schleichendes Gift" (RBB, 2008) oder ein sogenannter Ehrenmord in "Schatten der Angst" (SWR, 2008). Zu den umstrittensten Folgen gehört "Wem Ehre gebührt" (NDR, 2007). Erst als sich die ARD für die im Umfeld einer alevitischen Familie angesiedelte Inzestgeschichte öffentlich entschuldigte, hörten die Proteste der Alevitengemeinde auf.