Der Bietigheimer zeigt kunstvolle Kartentricks. Foto: Michael Damböck/Bastian-magic

Bastian Fischer aus Bietigheim zeigt kunstvolle Tricks. Über seine Zukunft macht sich der 20-Jährige keine Illusionen: Es wird für ihn schwer, von der Zauberei zu leben.

Bietigheim - Zauberhaft ist an diesem tristen Sonntagabend Ende März 2012 wenig – zumindest am Anfang nicht. Die Bühne ist der Frühstücksraum eines Hotels, die Servierwagen stehen mit weißen Tüchern abgedeckt in einer Ecke, im Hintergrund blitzt die Armatur eines Kaffeeautomaten. Das überwiegend weibliche Publikum lümmelt in Polohemden und Jeans oder in Trainingsanzügen an einem U-förmigen Tisch – und die Stimmung? Sie könnte, sagen wir es diplomatisch, besser sein: Gerade hat das Damenteam der SG BBM Bietigheim in der zweiten Liga ein Heimspiel verloren, was gleichbedeutend ist mit dem Ende des Traums vom Aufstieg in die Eliteklasse des Handballs. Da taucht zwischen Apfelschorle und Abendessen, zwischen Frust und Müdigkeit dieser junge Zauberer mit breitem Dauergrinsen im Gesicht auf.

Bastian Fischer steht vor der Tür zum Frühstücksraum, mangels Künstlergarderobe bereits in seiner Dienstkleidung: rotes Hemd, grauer Anzug, nach hinten gegelte Haare. Seit er sechs Jahre alt ist, zaubert sich der mittlerweile 20-Jährige durch das Leben – ambitioniert gewiss, aber noch auf dem Weg, aus der Profession einen Beruf machen. Angefangen hat es klischeehaft mit dem geschenkten Zauberkasten, mit Auftritten im Familienkreis, mit gängigen Tricks wie dem schwebenden Totenkopf oder der Wasser speienden Zeitung. Wobei das familiäre Publikum zwar anfänglich die Motivation steigere, als fördernder Kritiker aber wenig tauge, sagt Bastian Fischer im Nachhinein: „Die Eltern sagen nichts, wenn es nicht klappt.“

Die Bietigheimer Handballerinnen, die auf dem Spielfeld an diesem Tag nicht gezaubert haben, würden etwas sagen, wenn etwas nicht klappen sollte. Bastian Fischer zeigt ein paar Kartentricks – ein lockerer Aufgalopp, er holt eine Spielerin zu sich nach vorne für einen Seiltrick. Dann schlüpft er in einen weißen Papieranzug, kündigt an, dass er Mentalmagie machen werde, und packt einen „Gedankenleseapparat“ aus seinem Koffer. Einige Zuschauerinnen lachen laut, die meisten haben zumindest ein Lächeln in ihr Frustgesicht gezaubert.

Er übt vor dem Spiegel

„Ich will keine distanzierte Zauberkunst machen. Die Geheimnisse hinter den Kunststücken beeindrucken niemanden mehr“, sagt Fischer. Die Darbietung müsse die Zuschauer faszinieren und unterhalten. „Mir geht es mehr ums Staunen als ums Lachen.“ Mit 14 Jahren hat er, wie er sagt, „richtig angefangen“. Bastian Fischer besucht Seminare und Schulungen, lernt andere Magier kennen, verfeinert seine Technik und Fingerfertigkeit. Bis heute macht er jeden Morgen Dehnübungen, entwickelt Tricks, die er zuerst einübt, dann vor dem Spiegel vervollkommnet. Er lernt, wie man die Karten hält, aber er scheitert auch an Tricks, und er erfährt, was unbedingt nötig ist: „Üben, üben, üben“, sagt er – und räumt ein, dass er es damit nicht immer so ganz ernst nimmt. Das Bekenntnis garniert er mit einem Lausbubenlächeln.

Um offene und schmeichelnde Worte ist Bastian Fischer auch auf der Bühne, und sei sie ein Frühstücksraum, nicht verlegen. „Ich habe kein Problem, vor Publikum zu stehen, ich rede gern vor Leuten“, sagt er. Und da mache es gar keinen Unterschied, ob „30 oder 400 Menschen vor der Bühne sitzen“. Viel schwieriger sei es für einen Zauberer, wenn „nur einer zuschaut“. Jetzt schauen ihn mehr als zwei Dutzend Augenpaare an. Spielerinnen kommen nach vorn, er lässt sie verdeckt Gesichter malen – in verschiedenen Farben, mit schmollendem oder lachendem Mund, mit trauriger oder freundlicher Miene. Und er malt auch, und natürlich stimmen die von Bastian Fischer gemalten Gesichter mit denen von den Spielerinnen gefertigten überein.

Im Jahr 2009 hat Bastian Fischer, der zu dieser Zeit noch das Gymnasium besucht, seinen ersten öffentlichen Auftritt in der Stuttgarter Rosenau, wo sich Talente präsentieren können. „Das hat richtig gepusht“, sagt er. Mittlerweile tritt er drei- bis viermal im Monat auf – vor kleinem Publikum auf Partys und Feiern, aber auch auf der großen Bühne, etwa im Römerkastell mit den magischen Spitzenkräften Topas und Roxanne oder im Theaterhaus. Der Nachwuchszauberer schließt eine Hypnoseausbildung ab, geht zum Sprechtrainer, lässt sich von Eberhard Riese, dem Vorsitzenden des Magischen Zirkels Stuttgart, beraten – und er wird Anwärter auf eine Mitgliedschaft in der traditionsreichen Vereinigung, die 1928 gegründet wurde und zu den größten und bekanntesten Zirkeln in Deutschland gehört.

Ideenklau ist schlimmer als Trickverrat

Sich an den Wettbewerben der Zirkel zu beteiligen strebt er momentan nicht an. „Ich konzentriere mich auf die Zauberei vor Publikum“, sagt er. Die eiserne Regel der Zirkel, über Tricks zu schweigen, hat er einmal gebrochen, gibt er zu und meint heute: „Ich finde den Ideenklau viel schlimmer als den Trickverrat.“ Also: wie schafft er es, aus einem Kartenspiel, das er mehrmals in neue Stapel ordnet, die zwei Karten herauszufinden, die zuvor zwei Kandidatinnen gezogen und wieder zurückgesteckt haben? „Eine mathematische Regel“, sagt Bastian Fischer kurz angebunden und geheimnisvoll. Wer nachfragt, hat sich verrechnet, wenn er auf eine Antwort zählt.

Jetzt sitzt Anja auf dem Stuhl mitten in dem Frühstücksraum. Bastian Fischer hypnotisiert sie, aber er macht sich nicht lustig darüber, wenn die junge Frau auf seinen Befehl hin ihren Namen vergisst und sich, wie von Fischer angekündigt, plötzlich Lara nennt. Die Spielerinnen staunen, sie lachen, Verbeugung, Applaus.

Es wird schwer für ihn, sich zu etablieren

„Die Zauberei kostet sehr viel Zeit“, sagt Bastian Fischer. Manchmal dauert es zwei Jahre, bis ein Trick klappt. Er studiert jetzt im zweiten Semester Wirtschaftspsychologie in Frankfurt/Main – das passt zu seinem Interesse an Fragen, wie Menschen zu beeinflussen sind. „Das Studium ist etwas Handfestes“, sagt er, ein Netz gewissermaßen, falls sich die Magie als fauler Zauber erweisen sollte. „Mein Ziel ist aber, von der Zauberei leben zu können. Ich will mein Zauberbusiness während des Studiums aufbauen und danach durchstarten.“ Dass es schwer wird, sich zu etablieren, weiß er auch. Selbst der renommierte Magische Zirkel in Stuttgart hat nur 14 Profikünstler in seinen Reihen. Immerhin: am 12. Mai tritt er beim Müttertag im Theaterhaus mit dem Komikertrio Eure Mütter auf.

„Das Zaubern soll die Menschen zum Staunen bringen und Spaß machen“, sagt Bastian Fischer. Die Handballerinnen haben vor einem Jahr gestaunt und ihren Spaß gehabt. Ob Bastian Fischer wieder für sie auftritt? In diesem Jahr könnte es die Meisterfeier geben. Vier Spieltage vor Saisonende führen sie mit drei Punkten Vorsprung die Tabelle an. Einfach zauberhaft.