Das Haus, in dem der Nazigegner Eugen Bolz bis zu seiner Verhaftung und Hinrichtung lebte, steht vor dem Abriss. Die Kunde davon hat viele überrascht. Ausgewiesene Bolz-Kenner in Stuttgart plädieren nun für die Erhaltung.

Stuttgart - Wolfram Pyta hat sich schon oft mit Eugen Bolz befasst. Der Professor für Neuere Geschichte an der Universität Stuttgart schaute daher noch genauer hin, als er vergangenen Samstag die Stuttgarter Nachrichten las. Und die Nachricht, dass das einstige Wohnhaus des Naziopfers Bolz auf dem Killesberg abgerissen werden soll. Dazu hat Pyta eine klare Ansicht: Dieses Gebäude sollte erhalten und genutzt werden. Der württembergische Staatspräsident sei der ranghöchste Politiker der Weimarer Republik im deutschen Widerstand gewesen. Bei Bolz könne man in besonderer Weise einen Lebensweg in liberaldemokratischer Tradition vom Kaiserreich über die Weimarer Republik bis in den Widerstand nachvollziehen. Doch die Person Bolz und das, wofür sie steht, seien „in der Erinnerungskultur verhältnismäßig schwach verankert“.

Natürlich, sagt Pyta, sei Rottenburg am Neckar als Geburtsort eng mit der Person Bolz verbunden, doch gewohnt habe er eben in Stuttgart – und von 1932 bis 1944 in dem Haus, das abgebrochen werden soll.

Aus ähnlichen Gründen plädiert auch der Heimatgeschichtler Gerhard Raff aus Degerloch dafür, das Haus „nicht wegzuputzen“. Es stehe für ein Stück Landesgeschichte und erinnere an einen Märtyrer. In Stuttgart seien schon zu viele Zeugnisse der Vergangenheit vernichtet worden.

Einer neuen Nutzung zuführen

„Aus dem ohnehin dünnen Geschichtsbuch der Stadt würde eine weitere Seite herausgerissen“, warnt auch der Architekt Roland Ostertag, der sich seit langem für die Erhaltung geschichtlicher Spuren in der Stadt einsetzt. Ein Abriss würde in der Tradition der Vernachlässigung dieses Gebäudes beim Wiederaufbau von Stuttgart nach dem Krieg und durch die familiären Besitzer stehen, meint Ostertag. Insofern wäre der Abriss konsequent. Seine Empfehlung lautet aber anders. Stadt, Land und Personen, die Bolz schätzen, sollten versuchen, dem Investor das Gebäude abzukaufen. Sie sollten es in einen qualifizierten Zustand versetzen und es einer Nutzung zuführen, die Bolz’ würdig sei.

Einer, der wie Wolfram Pyta schon selbst in dem Haus Am Kriegsbergturm 44 saß, ist Thomas Schnabel, Leiter des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg. Er hatte wie Pyta vor Jahren die inzwischen verstorbene Tochter von Bolz besucht. Schnabel ist unschlüssig, ob sich die Erhaltung des Hauses lohnt, weil es baulich nicht mehr authentisch ist. Was an Unterlagen von Bolz vorhanden ist, würde es nach seiner Einschätzung aber ermöglichen, die Villa als Erinnerungsort auszustatten. Allerdings fragt sich der Historiker, wie man ausreichend Publikum dorthinlotsen könnte. Ein Thema, das sich auch bei dem nahe gelegenen Theodor-Heuss-Haus stelle.

Dagegen nimmt Pyta gerade das Heuss-Haus als Beleg, dass ein Erinnerungsort auf dem Killesberg möglich ist. Geschichte werde heute vermittelt mit Orten, „denen eine authentische Aura anhaftet“, sagt Pyta. Und: „Wenn man die Authentizität des Ortes will, dann muss man den Standort so annehmen.“ Mit den Mitteln der modernen Didaktik könne man das Haus gut mit Leben füllen und mit Informationen über Bolz. Die Initiative dafür, meint Schnabel wiederum, müsste von der Landesregierung ausgehen.

Authenzität des Ortes

Bisher haben sich noch nicht einmal die Denkmalschützer für das Haus interessiert. Im früheren Landesdenkmalamt, heute Teil des Regierungspräsidiums (RP) Stuttgart, finden sich dazu keine Unterlagen. „Demnach war es nie Gegenstand einer fachlichen Prüfung“, sagte RP-Sprecherin Nadine Hilber. Die obere Denkmalbehörde habe viele Aufgaben im Land. Sie brauche einen förmlichen Prüfantrag. Damit sie von sich aus tätig werde, müsse ein öffentliches Interesse am Denkmalschutz erkennbar sein. Durch unseren Bericht sei man nun sensibilisiert.

Laut Denkmalschutzgesetz kommen als Kulturdenkmale auch „Sachen“ infrage, an deren Erhaltung aus heimatgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse besteht.

Die Stadt verweist darauf, dass ohne Denkmal-Status bei der baurechtlichen Sachlage ein Abriss nicht zu verhindern sei. Der Neubau müsse aber in die Landschaft passen und dem Planungsrecht entsprechen. Ein erster Entwurf, den die Firma Wohnbau-Studio präsentiert hatte, wurde als überdimensioniert zurückgewiesen. Zurzeit bereitet der Eigentümer einen Bauantrag vor.

Wer die Prüfung der Denkmaleigenschaft beantragen will, kann dem RP mailen an: Nadine.Hilber@rps.bwl.de.