Unter anderen die Grüne Jugend demonstrierte am Freitagabend in Stuttgart. Foto: Lichtgut - Ferdinando Iannone/Ferdinando Iannone

Die Grüne Jugend Baden-Württemberg (BW) hat – mit Jusos BW, DGB Jugend BW, Flüchtlingsrat BW und Seebrücke Stuttgart – gegen die Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems demonstriert.

Ein Titel, der Bände spricht. „Keine Festung Europa“ nannte die Grüne Jugend Baden-Württemberg (BW) ihre Kundgebung, zu der sie am Freitag zum Rotebühlplatz lud – unterstützt von den Jusos BW, der DGB Jugend BW, dem Flüchtlingsrat BW und der Seebrücke Stuttgart. Rund 80 Menschen kamen spontan, um gegen die Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystem (GEAS) zu demonstrieren, auf die sich die Innenministerinnen und Innenminister der Europäischen Union am Tag zuvor geeinigt hatten.

Deutlich strengerer Umgang mit Migranten

Nach stundenlangen Verhandlungen in Luxemburg stimmte eine Mehrheit für einen deutlich strengeren Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive. Alle ankommenden Menschen sollen schon an der Grenze registriert werden. Künftig soll an den EU-Außengrenzen über den Status von Menschen entschieden werden. Wer keine Bleibeperspektive und nur geringe Aussicht auf Schutz in der EU hat, soll in kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen für ein Asyl-Schnellverfahren kommen. Ziel ist, Menschen ohne Chance auf Asyl umgehend zurückschicken zu können. Unbegleitete Kinder und Jugendliche können direkt in die EU einreisen – ohne Grenzverfahren. Diese Verfahren durchmachen müssen indes Kinder und Jugendliche, die mit ihren Eltern flüchten. Das habe Deutschland nicht gewollt, heißt es auf der Homepage des Bundesinnenministeriums. Aber man habe sich mit Luxemburg, Irland und Portugal nicht gegen die Mehrheit der EU-Staaten durchsetzen können.

Lara Herter spricht von „historischer Blamage“

Dass auch Familien mit Kindern in Aufnahmeeinrichtungen kämen, also in „Lager mit Haftbedingungen“, das sei unsäglich und grausam, so Bärbel Mauch, zweite Vorsitzende des Flüchtlingsrat BW. Jeder Asylantrag müsse individuell geprüft werden. Was da beschlossen wurde, sei „ein Verstoß gegen Artikel 9 der Menschenrechte!“ Dort heißt es, dass niemand willkürlich festgenommen, in Haft gehalten oder des Landes verwiesen werden dürfe.

Schon zuvor hatte Elly Reich, Sprecherin Grüne Jugend Baden-Württemberg, den „sogenannten Kompromiss der EU-Innenminister*innenkonferenz“ als Angriff auf die Menschenwürde und europäischen Werte bezeichnet. Er gefährde buchstäblich Menschenleben und entspräche nicht dem Koalitionsvertrag der Ampel. Dort ist zu lesen, dass man illegale Zurückweisungen und das Leid an den Außengrenzen beenden wolle. „Der Asylantrag von Menschen, die in der EU ankommen oder bereits hier sind, muss inhaltlich geprüft werden.“

Zynisch nannte Lara Herter, Landesvorsitzende der Jusos BW, dass Innenministerin Nancy Faeser auf Twitter den Kompromiss als „historischen Erfolg für die Europäische Union, für eine neue, solidarische Migrationspolitik und für den Schutz von Menschenrechten“ beschrieben habe. „Sorry, Nancy, aber was Ihr da als Bundesregierung zugestimmt habt, ist kein historischer Erfolg - sondern eine historische Blamage.“ Das Asylrecht werde ausgehöhlt, die Rechte von Geflüchteten eingeschränkt, etwa weil sie abgeschoben würden, obwohl Gerichtsverfahren noch liefen. Statt Abschottung der Festung Europa brauche es sichere Fluchtrouten und menschenwürdige Asylverfahren, die eben nicht in Dritt- oder andere Staaten outgesourct würden.

„Politik der Mauern und Zäune ist nicht unsere Politik“

Auch Tim Naasz, in der politischen Geschäftsführung der Grünen Jugend BW, forderte, sich gegen den Kompromiss einzusetzen, der noch durch das Europäische Parlament müsse. Und Tim Röder von Brand New Bundestag verwies auf eine Stellungnahme der Initiative zur GEAS-Reform. Dort heißt es unter anderem: „Das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht und zivilisatorischer Erfolg. Die Politik der Mauern und Zäune ist nicht unsere Politik.“ Zu den politischen Zielen der Aktivisten gehöre der Kampf gegen Pushbacks wie der Einsatz für eine gemeinsame europäische Seenotrettung. Die EU-Grenzagentur Frontex müsse an den Menschenrechten konsequent ausgerichtet werden. „Die Stellungnahme kann auf der Homepage brandnewbundestag.de unterzeichnet werden“, so Röder. Viele Parlamentarier haben das schon getan.