Bündnis-Mitglied Christina Häußler führte durch die Kundgebung. Die Teilnehmer drängten sich von der Stadtkirche bis auf den Marktplatz hinauf. Foto: Avanti/Ralf Poller

Rund 400 Menschen haben in der Marbacher Altstadt (Kreis Ludwigsburg) ein Zeichen gesetzt. Im Rahmen der Kundgebung wurde Kritik an der Stadt laut: Das Bündnis musste ein Banner mit der Aufschrift „Marbach für Demokratie und Vielfalt“ am Burgplatz abhängen.

Vor etwas mehr als einem Jahr hatten sich rund 300 Menschen auf dem Marbacher Burgplatz für Vielfalt und Demokratie stark gemacht. Eingeladen hatte damals das Marbacher Bündnis für Demokratie und Vielfalt, das inzwischen von fast 40 Initiativen, Gruppen, Parteien, Kirchen und Einzelpersonen getragen wird.

 

Am Samstag hatte das Bündnis erneut eingeladen. Und dieses Mal nahmen noch mehr Menschen an der friedlichen Kundgebung in der Altstadt teil. Die Veranstalter sprechen von rund 400 Teilnehmern.

Demokratie ist ein Miteinander

„Wir hier in Marbach wollen uns gemeinsam in die Augen schauen und uns vergewissern: Wir sind mehr“, sagte Christina Häußler vom Orgateam. Gleichwohl spüre auch sie, dass die Grundpfeiler der Demokratie ins Wackeln geraten. „Ich merke das an Hass, an Hetze, an Frontenbildung, an Kleinkariertheit, an Dünnhäutigkeit, an Angst.“ Die Grenzen des Sagbaren würden immer weiter verschoben. Dennoch glaube sie weiter an das Gute, so Häußler. „Das ist das Einzige, was uns bleibt.“

Einige Teilnehmer hatten Fahne und Plakate dabei. Foto: Avanti/Ralf Poller

Unter den Demonstrierenden war auch Alt-Bürgermeister Herbert Pötzsch. Vor einem Jahr hatte der Marbacher bei der Kundgebung auf dem Burgplatz gesprochen. Und auch dieses Mal hätte er gesprochen. „Aber ich wäre eigentlich heute gar nicht hier und sagte deshalb ab.“ Da sich die privaten Pläne zerschlugen, mischte sich Pötzsch dann aber doch noch unter die Demonstrierenden.

Alt-Bürgermeister kritisiert Wertebruch der CDU

Die politischen Ereignisse der vergangenen Wochen treiben den Marbacher um. „Es ist eine Katastrophe, was da passiert.“ Die CDU habe sich von der AfD treiben lassen, kritisiert Pötzsch. Im Agieren von Friedrich Merz sieht er einen Wertebruch. „Wenn man gewollt hätte, hätte man einen Grundkonsens gefunden“, schreibt er allen demokratischen Parteien ins Stammbuch.

Ein paar Meter von ihm entfernt steht sein Nachfolger im Amt, Jan Trost. Der hatte im Vorfeld der Kundgebung betont, er komme als Privatperson, nicht als Verwaltungschef. Eine Rede zu halten, sei für ihn nicht in Frage gekommen, berichten Mitglieder des Orgateams. Die Stadt Marbach ist auch nicht Mitglied im Bündnis. Dass es auch anders geht, zeigt ein Blick nach Vaihingen, wo am Freitagabend demonstriert wurde. Hier ist die Stadt Teil des Bündnisses und Oberbürgermeister Uwe Skryzpek sogar Schirmherr der Veranstaltung. Auch der Ludwigsburger Stadtchef Matthias Knecht hat bislang immer auf Kundgebungen in der Barockstadt gesprochen – ganz bewusst, wie er betont, nicht als Privatmann, sondern in seiner Funktion als Rathauschef.

Im Lauf der Kundgebung gerät Trost dennoch in den Fokus. Der Stadtchef wird – wenn auch nicht namentlich – kritisiert, weil er ein großes Banner mit der Aufschrift „Marbach ist bunt“ nicht am Burgplatz hängen hatte lassen. Trosts Argumentation: Besonders „in diesen aufgeheizten Wahlkampfzeiten“ müsse die Stadt darauf achten, „dass die geltenden Regeln genau eingehalten werden“. Laut den Vorgaben zum Plakatieren dürften „an denkmalgeschützten Bauten und Einrichtungen Plakate und Plakatständer nicht angebracht werden“. Das gelte auch für den Burgplatz. Zur Erinnerung: Vergangenes Jahr hing wochenlang ein kleineres Banner des Citymanagements am Burgplatz-Geländer – mit einem Hinweis auf die Rückkehr des Wochenmarktes in die Innenstadt. Apropos Banner: Das abgehängte Banner hängt inzwischen an einem Gebäude am Marktplatz, in dem die Bäckerei Mildenberger ist.

Einer der an diesem Morgen Flagge zeigte, war CDU-Rat Jochen Biesinger. Marbach sei bunt, so der Redner. „Aber was bitte verletzt an einem Banner, das alle Farben des Spektrums zeigt, die Neutralitätspflicht?“. Für die in eine Frage verpackte Kritik gab es viel Applaus. Ebenso wie für die Stadtmarketings-Vorsitzende Annette Fiss. Auch sie bezog sich in ihrer Rede auf das von Trost vorgebrachte Argument der Neutralität.

Demokratie braucht das Ringen um die beste Lösung

Menschlichkeit sei nicht verhandelbar. Sie sei alternativlos. Und die Frage der Menschlichkeit lasse auch keine Neutralität zu. „Man kann in der Frage der Menschlichkeit nicht neutral sein. Sie geht uns alle an.“ Fiss schilderte ihren Albtraum von einer Gesellschaft, in der Grundrechte nur noch für einige wenige gelten und in dem hetzende, rhetorisch einfache Parolen die Gesellschaft weiter spalten. Eine Rhetorik, die gegeneinander aufbringe. „ Wir möchten nicht, dass dieser Albtraum Realität wird. Wir wollen ein offenes, vielfältiges demokratisches Land bleiben.“ Marbach sei Schillerstadt und für Schiller habe das Gemeinwohl aller immer mit dem Wohl des Einzelnen zu tun gehabt. „Und der bin nicht ich, sondern der ist immer das Gegenüber.“

Zukunftsängste, so Biesingers Beobachtung, machen Menschen empfänglich für vermeintlich einfache Botschaften. „Aber Demokratie braucht den aufrichtigen Diskurs und das gemeinsame Ringen um die beste Lösung.“ In Zeiten wie diesen, müsse man Herz und Verstand zusammenbringen, um gemeinsam gute Antworten auf komplexe Fragen zu finden. Gleichwohl, mahnte Biesinger, müsse es möglich sein, auch kritische Debatten zu führen. Entscheidend für deren Gelingen sei das Zuhören. „Nur, wenn ich den anderen in seinem Denken verstehe, kann ich mit ihm in den Wettstreit der besseren Argumente treten.“

Demokratie muss immer wieder neu verteidigt werden

Auch Michael Herzog, der Vorsitzende der Bürgerstiftung Marbach mahnte: Demokratie, Frieden Freiheit und Vielfalt seien lebensgestaltende Werte und müssten immer wieder neu verteidigt werden. „Wer sich nicht traut, für sie zu kämpfen, hat bereits verloren.“