Anhänger der Fünf-Sterne-Bewegung protestieren Anfang Oktober in Rom vor dem Parlamentsgebäude gegen die umstrittene Wahlrechtsreform. Foto: dpa

Fast zehn Monate wurde in Italien an dem neuen Wahlgesetz herumgedoktert. Jetzt stimmt der Senat ab. Doch das politische Chaos wird damit nicht beendet sein.

Rom - Es kommt quasi auf den letzten Drücker: An diesem Donnerstag soll der italienische Senat das neue Wahlgesetz mit dem blumigen Namen „Rosatellum“ verabschieden. Dann fehlt nur noch die Unterschrift des Präsidenten Sergio Mattarella. Ein monatelanger Streit wäre endlich passé – und neuer eigentlich schon vorprogrammiert.

Seit dem gescheiterten Verfassungs-Referendum im Dezember vergangenen Jahres war an der Neufassung des italienischen Wahlrechts herumgedoktert worden. Der Wirrwarr ums Wahlgesetz war es auch, der vorgezogene Neuwahlen nach dem Rücktritt des ehemaligen Ministerpräsidenten Matteo Renzi verhinderte. Doch gewählt werden muss in Italien bis spätestens im Frühjahr kommenden Jahres. Ohne ein einheitliches Wahlrecht drohte dieser Urnengang im Chaos zu versinken. Ob dieses nun ausbleibt, sei allerdings erst einmal dahin gestellt.

Eine Mischung aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht

Das neue Wahlgesetz ist nach dem Abgeordneten und Fraktionsvorsitzenden des regierenden sozialdemokratischen Partito Democratico, Ettore Rosato, benannt. Eigentlich heißt es „Rosatellum 2.0“ oder auch „Rosatellum bis“, also „Wiederholung“, weil es bereits die Überarbeitung eines ersten Entwurfs ist. Es ist eine Mischung aus 36 Prozent Mehrheits- und 64 Prozent Verhältniswahlrecht. Demnach werden 232 Abgeordnete und 116 Senatoren per Mehrheitsentscheid, der Rest über Listen gewählt, die die Parteien zusammenstellen. Um in das Parlament einziehen zu können muss eine Partei landesweit mindestens drei Prozent der Stimmen erhalten, für Parteibündnisse liegt die Hürde bei zehn Prozent. Kleine Parteien, die unter drei aber mehr als ein Prozent erhalten, können durch den Anschluss an ein Bündnis doch ins Parlament einziehen.

Seit nunmehr zehn Monaten wurde in Italien an dem neuen Gesetz herumgebastelt. Nach dem gescheiterten Verfassungs-Referendum vom 4. Dezember 2016 und dem Rücktritt Matteo Renzis wurde der Ruf nach sofortigen Neuwahlen laut. Doch mit einem Wahlrecht, das nur noch einem Flickenteppich glich, war das zumindest praktisch nicht möglich. Renzi wollte 2016 die Verfassung ändern und damit die zweite Kammer, den Senat, faktisch abschaffen. Allerdings machte er den ersten vor dem zweiten Schritt und so wurde bereits vor der Verfassungsänderung ein Wahlrecht erlassen, dass sich nur noch auf die Abgeordnetenkammer bezog. Die Volksbefragung scheiterte, die Verfassungsänderung wurde also ad acta gelegt, aber das neue Wahlrecht blieb. Und wurde noch dazu Anfang dieses Jahres vom Verfassungsgericht für teilweise verfassungswidrig erklärt.

Der Verlierer ist die Fünf-Sterne-Bewegung

Bei der Schaffung des neuen Wahlrechtes wollte natürlich jeder seine eigenen Schäfchen ins Trockene bringen. Rein rechnerisch nützt das neue Wahlrecht vor allem dem regierenden Partito Democratico (PD). Die Sozialdemokraten von Matteo Renzi würden – im Unterschied zum bisher geltenden Wahlrecht – bei gleicher Stimmenverteilung wie bei den vergangenen Wahlen 19 Sitze gut machen. Dies zeigt eine Berechnung der unabhängigen Politik-Plattform Openpolis. Allerdings verlöre die aktuelle Regierungspartei in diesem Szenario 104 Sitze im Vergleich zur heutigen Konstellation, da der Bonus für die Partei mit den meisten Stimmen künftig wegfallen soll. Die Fünf-Sterne-Bewegung verliert in diesem Szenario hingegen 24 Stimmen im Vergleich zum bisher geltenden Gesetz.

Für Silvio Berlusconis Forza Italia (FI) würde sich nur wenig ändern, die rechte Lega Nord (LN) ein paar Sitze hinzugewinnen. Wenig verwunderlich also, dass das Gesetz vor allem von PD, FI, und LN getragen wird. Eine Koalition, die bislang undenkbar war, die aber mit Aussicht auf die kommenden Wahlen immer mehr an ihrer Absurdität verliert. Laut den aktuellen Umfragen, schafft es keine Partei, aber auch keines der angepeilten Parteienbündnisse, eine zum regieren notwendige Mehrheit von etwa 40 Prozent zu erreichen. Und weil das „Rosatellum“ keinen Mehrheitsbonus für die Partei oder das Bündnis mit den meisten Stimmen mehr vorsieht, werden die Parteien also wohl oder übel gezwungen sein, über ihre ideologischen Gräben hinweg eine Koalition einzugehen. Die Fünf-Sterne-Bewegung lehnt weiterhin jede Koalition mit anderen Parteien ab – und wiederholte am Mittwoch prompt ihre Forderung an Staatspräsident Sergio Mattarella, das Gesetz nicht zu unterzeichnen. Der dürfte seinen Stift allerdings bereits gezückt haben.