Noch reichen die Heimplätze in der Landeshauptstadt. Doch der demografische Wandel und neue gesetzliche Vorgaben könnten bald eine große Lücke entstehen lassen. Foto: dpa

Noch gibt es genügend Altenpflegeplätze in der Landeshauptstadt. Doch der demografische Wandel wird allmählich spürbar. Neue Richtlinien des Landes verschärfen die Bauplatzsuche.

Stuttgart - In den kommenden Jahren wächst der Bedarf an Pflegeplätzen für alte Menschen. Nach Berechnungen der Stadt werden in zehn Jahren in Stuttgart bis zu 3000 zusätzliche Plätze benötigt. Diese zu schaffen, wird nicht einfach. Flächen für den Neubau von Heimen sind rar, Bauprojekte in den Quartieren zeitaufwendig, die Etablierung neuer Wohnformen wie Pflege-WGs ist ziemlich kompliziert.

„Aktuell kommen wir mit den Plätzen noch zurecht“, sagt Gabriele Reichhardt über die Lage in Stuttgart. Doch der Sozialplanerin im Sozialamt der Stadt ist bewusst, dass man einiges wird tun müssen, wenn dies so bleiben soll. In absehbarer Zeit werden Betreuungsplätze fehlen.

Ende 2015 gab es in Stuttgart 5437 Plätze in Einrichtungen der stationären Altenpflege. Nach heutigen Berechnungen wird der Bedarf aufgrund des demografischen Wandels deutlich steigen. Für 2020 geht man schon von rund 6000 Plätzen aus, 2025 werde der Bedarf bei gut 7220 liegen. Ein weiterer Faktor, der in den nächsten Jahren zu der prognostizierten Lücke beitragen wird, ist die neue Landesheimbauverordnung. Diese schreibt vor, dass es in der stationären Pflege von 2019 an nur noch Ein-Bett-Zimmer geben darf. Überdies wird die Größe der Heime wie die der Wohngruppen begrenzt. Würden diese Vorgaben ohne Ausnahmen umgesetzt werden, müssten weitere 1400 Plätze „neu gestaltet werden“, wie dies im Verwaltungsjargon heißt.

Ausnahme gibt es bei der Umsetzung der Vorgaben nicht

Betrachte man die Richtlinien des Landes auch vor dem Hintergrund der Neuregelungen in der Pflege durch den Bund, „dann bleibt in den nächsten Jahren kein Stein auf dem anderen“, sagt Rainer Kontermann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) zu den Herausforderungen der kommenden Jahre. Schon der Neubau von Pflegeheimen werde in Stuttgart „bei dieser Topografie nicht einfach werden“, sagt Sozialplanerin Gabriele Reichhardt. „Das wird überall, wo Flächen knapp sind, ein Problem“, sagt Rainer Kontermann. Die BWKG fordert deshalb schon seit einiger Zeit, die Übergangsfristen für bestehende Einrichtungen um zehn Jahre zu verlängern.

Gewiss wird es individuelle Ausnahmen oder Kompromisse geben bei der Umsetzung der Vorgaben des Landes. Dennoch werden viele Plätze wegfallen. Das zeigt das Haus St. Monika der Caritas in Neugereut. Dort werden aus 226 bald 174 Plätze, 52 weniger als bisher. „Das ist eine dramatische Reduzierung“, sagt Kurt Greschner, der bei der Caritas für die Altenhilfe zuständig ist.

Experte sieht Finanzierungsproblem bei Pflege-WGs

Eine weitere Maßgabe von Land und Stadt, dass künftige Pflegeeinrichtungen von überschaubarer Größe und wohnortnah ins Quartier integriert sein sollen, macht die Planungen der Träger schwierig. „Das bedeutet für uns Beteiligungsprozesse, die zwei bis drei Jahre lang dauern“, sagt Bernhard Schneider, Chef der Evangelischen Heimstiftung. Es brauche Zeit, bis klar sei, was das Quartier brauche und in ein neues Pflegeheimprojekt aufgenommen werden muss: eine Kita, Läden oder doch eher eine Beratungsstelle?

Unterdessen erweist sich das gesteckte Ziel als schwierig, alten Menschen und deren Angehörigen mehr Wahlmöglichkeiten zu bieten und Plätze durch selbstverwaltete Pflege-Wohngemeinschaften zu schaffen. Lediglich vier solcher WGs mit insgesamt 26 Plätzen gibt es bisher in Stuttgart. Mittelfristig soll in jedem Stadtbezirk eine solche Einrichtung bestehen. Nur gibt es dafür derzeit zu wenig passenden Wohnraum, jede Altenpflege-WG muss mindestens 230 Quadratmeter groß sein. Die jüngsten beiden dieser Wohngemeinschaften in Rot mit jeweils acht Plätzen, eine speziell für türkischstämmige Bewohner, sind nur mit Fördergeld der Krankenkassen sowie intensiver Unterstützung durch die Stadt und deren Wohnungsbautochter SWSG zustande gekommen. Kontermann von der BWKG glaubt indes nicht, dass Pflege-WGs eine wesentliche Zahl von Plätzen bieten werden in der Zukunft.

Kurt Greschner von der Caritas sieht einstweilen ein Finanzierungsproblem bei Pflege-WGs vor allem in der Anlaufphase, wenn noch nicht alle Plätze belegt sind, das Betreuungspersonal jedoch da ist, aber auch wenn Plätze später frei werden. Dafür wünscht er sich eine „projektbezogene Anschubfinanzierung“, eine „Ausfallbürgschaft der Stadt“ und den Aufbau eines großen „Interessentenpools“.

Eine Anschubfinanzierung freilich gibt es schon. Seit zwei Jahren können Fördermittel von bis zu 55 000 Euro pro WG beantragt werden, sagt Gabriele Reichhardt. „Stuttgart ist da weit vorausgegangen.“ Das ist aus der Sicht von Kontermann bei der Pflege auch nötig: „Die Kommunen müssen da mehr Verantwortung übernehmen.“