Der Streit um das Thema sexuelle Vielfalt im Schulunterricht gewinnt weiter an Schärfe. Bei Demonstrationen gegen die Pläne des Kultusministeriums kam es in Stuttgart zu Provokationen und Rangeleien. Denn auch die Befürworter geben nicht klein bei.
Der Streit um das Thema sexuelle Vielfalt im Schulunterricht gewinnt weiter an Schärfe. Bei Demonstrationen gegen die Pläne des Kultusministeriums kam es in Stuttgart zu Provokationen und Rangeleien. Denn auch die Befürworter geben nicht klein bei.
Stuttgart - Der Konflikt um das Thema sexuelle Vielfalt im Schulunterricht gewinnt weiter an Schärfe. Bei Demonstrationen für und gegen das Vorhaben der Landesregierung, Schülern eine Akzeptanz für verschiedene sexuelle Orientierungen zu vermitteln, ist es zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen. Rund 100 Personen, die die Polizei dem linken Spektrum zuordnet, hätten sich in Stuttgart unter die Demonstranten gemischt. 800 Polizisten waren im Einsatz, 100 Menschen wurden kurzzeitig festgenommen. Nach tumultartigen Szenen sahen sich die Polizisten eigenen Angaben zufolge sogar gezwungen, Pfefferspray und Schlagstöcke einzusetzen.
Unter dem Motto „Ehe und Familie“ hatte ein Bündnis aus konservativen und religiösen Gruppen zur vierten Demonstration gegen den Bildungsplan aufgerufen. Das Bündnis kämpft gegen das Vorhaben von Grün-Rot, das Thema sexuelle Vielfalt durch den neuen Bildungsplan stärker im Schulunterricht zu verankern. Die Schule müsse die Sexual- und Werteerziehung den Eltern überlassen, forderte die Koordinatorin des Verbands, Kerstin Kramer. „Dieses Elternrecht darf nicht ausgehebelt werden.“ Auf Plakaten und Spruchbändern warfen die Demonstranten der Landesregierung eine Sexualisierung der Schüler vor. „Schützt unsere Kinder“ und „Kinder brauchen Liebe, keinen Sex“ stand auf den Plakaten.
Gleichzeitig hatten die Grüne Jugend Baden-Württemberg und das „Netzwerk gegen Rechts Stuttgart“ zu einer Gegendemo aufgerufen. Es gehe darum, gegen „rechte Hetze und fanatische Stimmungsmache“ Flagge zu zeigen, betonten sie. „Bildungsplan statt Bibelwahn“ und „Vielfalt wahren“ hatten die Teilnehmer der Gegendemo auf ihre Plakate geschrieben. Doch was von der Grünen Jugend als „fantasievolle, bunte und gewaltfreie Gegendemonstration“ vorgesehen war, wurde nach Angaben der Polizei von Tumulten überschattet.
Es ist bereits die vierte Demo gegen den Bildungsplan
„Circa Hundert schwarz gekleidete Personen, die sich teilweise vermummt hatten, versammelten sich mit Fahnen und Transparenten am Schillerplatz“, sagte ein Polizeisprecher. Schließlich sei es zu Provokationen und Straftaten gekommen. Als die Gruppe versucht hätte, ein Polizeigitter zu durchbrechen, habe es „tumultartige Szenen“ gegeben. Um der Lage Herr zu werden, hätten die Einsatzkräfte Schlagstücke und Pfefferspray einsetzen müssen. Schließlich seien rund 100 Menschen vorläufig in Gewahrsam genommen und ihre Personalien festgestellt worden. Verletzt wurde bei diesen Zusammenstößen aber wohl niemand. Wenig später wurde allerdings ein 50-jähriger Fußgänger durch einen geworfenen Böller leicht verletzt.
Es ist bereits die vierte Demonstration gegen den Bildungsplan, den die Landesregierung 2016 an den Schulen im Land einführen will. Zuletzt hatten rund 1000 Bildungsplangegner Anfang April gegen die Aufwertung des Themas sexuelle Vielfalt im Unterricht demonstriert. Zu der Demo am Samstag hatten die Veranstalter statt der 700 Teilnehmer eigentlich mit 2000 bis 3000 Menschen gerechnet.
Bereits bei vorangegangenen Kundgebungen war es zu Rangeleien zwischen Gegnern und Befürwortern des Bildungsplans gekommen. Die Landesregierung hatte ursprünglich geplant, die Akzeptanz sexueller Vielfalt zu einem Leitprinzip des Unterrichts zu erklären. Dagegen hatten 192 000 Menschen eine Petition unterzeichnet. Die Gegner werfen der Landesregierung „Umerziehung“, „Indoktrination“ und „grünen Gesinnungsterrorismus“ vor. Zwei Petitionen für den Bildungsplan fanden allerdings noch deutlich mehr Unterstützung.
Kultusminister Andreas Stoch (SPD) hatte als Reaktion auf die Kritik den Gedanken der Toleranz gegenüber Menschen mit verschiedenen sexuellen Neigungen weiter gefasst. Jetzt ist auch von Akzeptanz einer ethnischen, religiösen oder kulturellen Vielfalt die Rede. Die CDU im Landtag fordert, diese Leitperspektiven komplett zu streichen. Zu den Ausschreitungen bei den Stuttgarter Demos wollte sich das Ministerium am Sonntag nicht äußern.