Menschen haben am Samstag auf dem Stuttgarter Schlossplatz demonstriert. Foto: Lichtgut - Ferdinando Iannone/Ferdinando Iannone

Vor einem Jahr haben die Taliban die Macht in Afghanistan übernommen. Daher rief ein breites Bündnis ziviligesellschaftlicher Initiativen und Organisationen zur Kundgebung „Solidarität mit Afghanistan“.

Zara wippt mit den Füßen, als das afghanische Harmonium und die Rubab, eine Laute, erklingen. Es ist der Auftakt der Kundgebung „Solidarität mit Afghanistan“ zu der ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Initiativen und Organisationen geladen hat, darunter der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, Seebrücke, Just Human, der AK Asyl Stuttgart und Amnesty International. Dafür ist die 23-jährige Zara eigens aus Heidelberg zum Stuttgarter Schlossplatz gekommen, wie einige Menschen mit ihr. 2021 ist sie aus der afghanischen Hauptstadt Kabul geflüchtet. „Weil es den Frauen so schlecht geht wie nie“, sagt sie auf Englisch. Und dass sie um ihre Familie in Herat fürchte.

Auf der Bühne wird die Situation in dem Land am Hindukusch beschrieben – ein Jahr danach: Am 15. August 2021 übernahmen die Taliban die Macht. Die Lage für viele Menschen dort sei verheerend, so Sadiq Zartila vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. Durch den überstürzten Abzug des westlichen Militärs aus Afghanistan sei das Land am Abgrund, der Ansatz von Demokratie der vergangenen 20 Jahre zerstört, die Macht wieder in Händen einer Terrororganisation.

Besonders Frauen werden unterdrückt

„Die Taliban durchsuchen Haus um Haus, verfolgen liberale und fortschrittliche Menschen, töten, vergewaltigen. Die Wirtschaft liegt brach, selbstverständliche und notwendige Infrastruktur funktioniert nicht mehr.“ Das vereinbarte humanitäre Bundesaufnahmeprogramm für Ortskräfte und gefährdete Personen müsse schnell umgesetzt werden. Es sei die Pflicht Deutschlands und anderer Länder, Geflüchtete aufzunehmen, fordert Zartila, bevor er um eine Schweigeminute bittet für die Opfer und den 16-jährigen Senegalesen Mohammed D., der in Dortmund von einem Polizisten erschossen wurde.

Jama Maqsudi vom Deutsch-Afghanischen Flüchtlingshilfeverein betont, dass gemäß Welthungerhilfe der WHO 20 Millionen Afghanen hungerten, die Hälfte der Bevölkerung. „Eine humanitäre Katastrophe!“ Am meisten litten Mädchen. Sie dürfen nur bis zur sechsten Klasse zur Schule, Frauen haben Arbeitsverbot. Dabei war das früher in Afghanistan anders: „1923 hatten dort die Frauen schon das Wahlrecht, an der Verfassung von 1964 wirkten sie mit“, so eine afghanische Aktivistin.

Doch heute seien die Taliban schlimmer als früher, nahm Maqsudi den Faden auf – das Gros derer Ministern stünde als Terroristen auf internationalen Fahndungslisten. Umso katastrophaler, dass durch den Abzug der USA, Deutschlands und anderer Länder diesen ein Waffenarsenal von acht Milliarden Dollar in die Hände gefallen sei. „Damit üben sie ihren Terror aus.“ Von deutschem Boden aus dürften keine US-Drohnen mehr gesteuert werden, so Maqsudi. „Es ist dringend notwendig, dass die Bundesrepublik mit der EU die Not in Afghanistan abwendet und sich für ein freies, unabhängiges und neutrales Afghanistan einsetzt, in dem die grundlegenden Menschenrechte gelten.“