Zu der Demonstration im Oberen Schlossgarten kamen rund 300 Menschen. Foto: Andreas Rosar/Fotoagentur Stuttgart

Am Oberen Schlossgarten haben rund 300 Menschen auf der Kundgebung des Krisenbündnis Stuttgart dafür demonstriert, dass die Corona-Zeche nicht mit Niedriglöhnen und Sozialabbau bezahlt wird.

Stuttgart - Auf der Bühne zelebriert die Band No Sports leidenschaftlichen Ska, auf dem Rasen werden Schilder und Banner hochgehalten. „Guter Pflege steht Profit im Wege“ ist zu lesen oder „Manager weg statt die Belegschaft“. „Die wirtschaftliche Krise hatte sich längst angekündigt, nun nutzen Unternehmen Corona für Entlassungen, in der Politik wird gefordert, den Mindestlohn zu senken, die Arbeitsstunden zu erhöhen“, so eine junge Frau empört. Ein älterer Herr betont: „Die Krise darf nicht auf dem Rücken der sozial Schwächeren und Arbeitnehmer ausgetragen werden! Über Jahre machten Firmen Gewinne. Solidarität mit den Mitarbeitern, die ihre Arbeit verlieren sollen, wie es nun unter anderem Autozulieferer ankündigten!“ „#nichtaufunseremrücken“ lautete denn auch das Motto, unter dem sich am Samstagnachmittag rund 300 Menschen jeden Alters im Oberen Schlossgarten vor dem Schauspielhaus versammelten. Zur Kundgebung hatte das Krisenbündnis Stuttgart geladen, in dem sich zahlreiche Organisationen zusammenschlossen, darunter Gewerkschaften, linke Parteien, Klimaaktivisten, Kulturschaffende, antifaschistische und antirassistische Initiativen.

Ihre Kritik: Die Krisenlösung der Regierung versuche das kapitalistische Wirtschaftssystem mit enormen Summen zu stabilisieren und verstärke die Ungleichheit. Ihre Forderung: Jene, die immer reicher geworden seien auf Kosten anderer sollten für die Krise zahlen. Ihr Ziel, das im Schlossgarten unter anderem bekräftigt wurde: klimagerechter Umbau der Wirtschaft, gerechte Vermögensverteilung, Solidarität durch alle Reihen von Arbeitenden über Studierende bis zu Kulturschaffenden, von Angestellten bis zu Solo-Selbstständigen. Und: gegen die Rechten Stellung beziehen, die Sozialleistungen streichen wollten, aber nun versuchten, die Corona-Situation auszunutzen.

Wie Bildungsarbeit oder medizinische Versorgung sei daher auch Kultur so wichtig, bekräftigte Journalist und Stadtflaneur Jo Bauer, sie halte den Spiegel vor. „Die Kultur- und Kreativwirtschaft hatte 2018 mit 100,5 Milliarden Euro die höchste Wertschöpfung aller Branchen hinter der Autoindustrie.“ Doch während letztere 1,1 Millionen Beschäftigte habe, seien in Kultur und Kreativbereich 1,7 Millionen tätig, eine halbe Million davon geringfügig, 1,2 Millionen in der Kultur müssten sich mit Hungerlöhnen von 1400 Euro im Monat durchschlagen. Wildwasser-Geschäftsführerin Yvonne Wolz betonte, dass nun klar werde, was wirklich systemrelevant sei. Diese Berufe, etwa im Pflegebereich, würden vor allem von Frauen unterbezahlt ausgeführt. Und sie erinnerte an die Frauen und Kinder, die nun mit einem gewalttätigen Mann oder missbrauchenden Vater zuhause bleiben müssten. Alexander Münchow schließlich, Landesbezirkssekretär der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), prangerte die Zustände in der Fleischbranche an, in denen Subunternehmer Arbeiter aus osteuropäischen Ländern unter miserablen Umständen beschäftigten, in unwürdigen Sammelunterkünften unterbrächten. „Die Politik hat lange weggeschaut. Mit Corona ging das nicht mehr. Das Gesetz darf nicht verwässert werden.“ Das Bundeskabinett hat kürzlich beschlossen, Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassungen in der Branche zu verbieten.