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Der Fels in der Brandung - auch ohne große Worte: VfB-Abwehrchef Matthieu Delpierre.

Stuttgart - Seit 2004 trägt Matthieu Delpierre das Trikot des VfB Stuttgart, seither ist er quasi allgegenwärtig - und doch ist der Franzose die Unscheinbarkeit in Person. Ein Leisetreter, ein stiller Brüter. Kann so einer als Kapitän auch Führungsqualitäten zeigen? Eine Annäherung.

Wie leise, wie zurückhaltend darf ein Kapitän sein? So leise und zurückhaltend wie Matthieu Delpierre? Mit der Sicht von außen fällt es schwer, sich den Verteidiger in diesem Amt vorzustellen. Delpierre schaut ein wenig unverständig, zupft den weißen Schal zurecht und sagt: "Man muss das mit dem Kapitän ja nicht übertreiben. Man muss in diesem Amt ja nicht immer schreien." Wobei - er könnte das auch: "Ich kann auch laut werden", betont er.

Es gibt Zeitzeugen, die das bestätigen. Manager Horst Heldt etwa, Delpierres ehemaliger Mitspieler, sagt: "Ich habe das selbst schon erlebt." Heldt kann die Vorbehalte nicht nachvollziehen: "Matthieu wirkt nach außen immer sehr ruhig und zurückhaltend, aber auf dem Platz und in der Kabine ist er einer, der vorangeht. Er war schon immer ein Führungsspieler in der Mannschaft, der auch Verantwortung übernommen hat."

Im Grunde ist Delpierre (28) ein Phantom. Sportlich stets solide, zuweilen überragend, fast nie enttäuschend. Er hat sein Niveau, und er hält es: "Das macht mich stolz." Auf ihn ist Verlass, wenn er nicht gerade verletzt ist, er ist ein Fels in der Brandung. "Von seiner Präsenz und Erfahrung her ist Matthieu ein ganz wichtiger Spieler für uns", sagt Trainer Christian Gross vor dem Heimspiel gegen den Hamburger SV an diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky und Liga total), in dem Delpierre nach überstandenem Zehenbruch sein Comeback feiert.

Und wenn nach Spielende die Scheinwerfer angehen für die Interviews, wird Delpierre Rede und Antwort stehen, wie er das immer tut. Er wird das sagen, was nötig ist, mehr nicht. Volksreden sind seine Sache nicht: "Ich weiß, dass ich mich als Kapitän mehr öffnen muss. Früher war ich mehr auf mich fokussiert. Jetzt muss ich mehr aus mir herausgehen." Auch wenn es schwerfällt.

Matthieu Delpierre wirkt ein wenig fremd in der zuweilen schrillen Profiwelt. Er hat nie mit Angeboten anderer Clubs kokettiert. Irgendwann war sein Vertrag beim VfB bis 2012 verlängert - fertig. Er fährt keine großen Schlitten, trägt keine dicken Uhren, ist kein Partygänger und seit Jahren mit Ilona liiert. Platzverweise, Effekthascherei, Skandale? Fehlanzeige. Gut, einen Berater gönnt er sich, aber eine Homepage? "Ich wüsste nicht, was ich da draufschreiben sollte", sagt er. Delpierre, der Antistar. Er ist so unauffällig, dass es schon wieder auffällig ist. Und kontraproduktiv, was die Equipe Tricolore angeht.

Wie es mit Delpierre und der Nationalmannschaft bestellt ist, lesen Sie in unserer Printausgabe.