Das ARD-Moderatorenduo Gerhard Delling und Mehmet Scholl im Einsatz beim Länderspiel Deutschland gegen Aserbaidschan (6:1). Screenshot: Lerch

In der ARD wird's lockerer: Bei Oberlehrer Delling debütierte Referendar Scholl.

Köln - Eine deutsche Nationalmannschaft, die fast in Weltklasseform war, ein bemitleidenswerter Gegner aus Aserbaidschan mit Regionalligaformat und ein neues Moderatoren-Duo, das sich erst noch einspielen muss - so lautet die Fußball-Fernseh-Bilanz vom Dienstagabend in Köln-Müngersdorf.

Der deutsche 6:1-Sieg war hochverdient und früh abzusehen. Die Frage, ob sich das Team von Bundestrainer Joachim Löw nicht doch blamieren würde, stellte sich nie. Auch nicht für das neue ARD-Moderatoren-Duo Gerhard Delling/Mehmet Scholl. Nachdem der norddeutsche Delling (51) satte 13 Jahre lang die Nationalmannschaft mit dem stoischen Günter Netzer (65) kommentiert und zerredet hatte und dafür mehrfach ausgezeichnet wurde, ist nun Mehmet Scholl (39) an der Reihe.

Ein ganz anderer Typ als Netzer

Und Scholl, das merkt man bereits nach wenigen Minuten, ist ein ganz anderer Typ als Netzer: Scholl, der Anfang der Neunziger beim Karlsruher SC bekannt wurde und später bis 2007 bei den Bayern kickte, kommt aus einer anderen Zeit. Bei ihm hieß das weite Rund in Köln nicht mehr Müngersdorfer Stadion, sondern RheinEnergieStadion, die Fußballschuhe waren plötzlich bunt und der Fußball eine große Show. Scholl war bereits als Spieler ein Lausbub, einer, der gelegentlich erst redet und dann denkt. Scholl weiß aber genau, worauf er sich einlässt. Bei der ARD, mit Delling.

Im Gegensatz zu Netzer duzt Scholl seinen Chef Delling, er unterbricht ihn auch. Delling begrüßt Scholl vor dem Länderspiel an der Eckfahne als "eines der größten deutschen Talente" und leitet so einen Filmbeitrag über Lukas Podolski ein, mit dem Scholl - und das ist selbstverständlich ein großer Vorteil gegenüber Altmeister Netzer - noch selber zusammengespielt hat.

Der einstige Hakenschläger

Mehmet Scholl ist vor der Kamera dann gut, wenn er dem Zuschauer was aus seiner (Nationalmannschafts-)Karriere erzählt oder auch nur andeutet. Unter Berti Vogts, heute trauriger Trainer Aserbaidschans, machte Scholl "in fünf Jahren 14 Länderspiele" - das ist natürlich wenig für den einstigen Dribbler und Hakenschläger Scholl. Für jede Partie für den DFB gab's eine Silbermedaille - "und Vogts hat's geschafft, mir 20 zu klauen. Wir sind irgendwie nicht auf einen grünen Zweig gekommen", so Scholl. Das klingt schon so, als hätte sich dies der einstige Mädchenschwarm vorher bereits genau überlegt, man hört aber dennoch gerne zu.

Scholl durchläuft gerade die Probezeit

Scholl hat weiter gute Kontakte in die Nationalelf, Toni Kroos kennt er, seitdem der als 16-Jähriger zu den Bayern kam, mit DFB-Pressemann Harald Stenger hat er noch kurz vor dem Anpfiff gequatscht: "Auch Harald Stenger sagte, dass es im Moment nicht viel auszusetzen gibt an dieser Mannschaft", posaunt Scholl stolz.  

Gerhard Delling, der bei den Auftritten mit Netzer flapsig und fast schon jugendlich wirkte, sieht nun oberlehrerhaft aus. Scholl ist jung, frisch, unbedarft - nicht ganz wie ein Schüler, eher wie ein Referendar, der weiß, dass er derzeit gute Karrierechancen hat. Studienrat Netzer ging in Rente, ein Job war frei und Scholl durchläuft gerade die Probezeit. Mal mit Reinhold Beckmann, nun auch mit Delling.

Auf und am Spielfeld

Vor dem Länderspiel-Anpfiff und für einen kurzen Moment in der Halbzeitpause stehen Delling/Scholl auf und am Spielfeld, Fernsehtalent Scholl wackelt ungeduldig mit dem blauen ARD-Mikorofon. Erst nach dem Spiel analysieren die beiden im Studio - und Bundestrainer Joachim Löw kommt hinzu. Während Delling und Löw eine - verständliche und nötige - Distanz haben und Delling den Bundestrainer peinlich fragt, ob Mertesacker am Wochenende spielen kann - peinlich, da die Schwere der Verletzung zu dem Moment noch nicht mal bekannt war - grinst Mehmet Scholl am rechten Bildschirmrand. Er will auch was sagen, darf aber wohl offenbar nicht so richtig. Kann aber ja noch kommen.

Bei der Frage, ob DFB-Kapitän Michael Ballack denn im Stadion war, beendet Scholl abrupt die aktuelle "Ballack-Diskussion" sympathisch flapsig: "Hier war ja eh ausverkauft." Darauf Delling: "Aber du bist doch auch hierher gekommen..." Scholl: "...aber nur durch Beziehungen." Thema erledigt, auch Löw hatte Spaß.

"Danke, Mehmet" - "Danke, Gerhard"

Anschließend wehrt sich Scholl noch gegen Dellings Behauptung, ein Podolski-Fan zu sein ("Fan? Fan ist das falsche Wort!") und Delling haut noch einen Wortwitz raus: Den nämlich, dass dem französischen Nationaltrainer Laurent Blanc zuletzt blankes Entsetzen ins Gesicht geschrieben gestand hatte ... der Abschied des Fußballfachmanns Scholl und des Fernsehprofis Delling ist kumpelhaft: "Danke, Mehmet." - "Danke, Gerhard". Mit Netzer undenkbar.

Für den gemeinen Nationalelfgucker ist dies alles eine Umgewöhnung. Aber eine dankbare. Auch, wenn Delling/Scholl sich erst noch weiter einspielen müssen - es wird auf jeden Fall lockerer und lustiger in der ARD. Fußball ist eben eine große Show.