Das Brunnenbüble von Degerloch Foto: Kempf

Unsere Leser sind als Spurensucher unterwegs. Die Stuttgarter Entdeckungen führen heute zu einem Gullideckel von 1896 und zu einem pinkelnden Büble in Degerloch.

Stuttgart - Die Stadt ist so reich wie keine andere – superreich an Stufen. Stuttgart besitzt etwa 400 öffentliche Treppenanlagen. Wer sie alle ablaufen will, müsste fast 20 Kilometer bewältigen. Und selbst ein Stäffele-Experte wie der Stadtführer Oliver Mirkes kann im ständigen Auf und Ab immer wieder Neues finden. Für unsere Sommerserie „Stuttgarter Entdeckungen“ hat er der Redaktion das Foto eines Gullideckels geschickt, der sich auf der Willy-Reichert-Staffel an der Karlshöhe befindet.

Die Jahreszahl, die man darauf lesen kann, ist der Altersnachweis dieses steilen Bauwerks: 1896. Hergestellt wurde der Gullideckel von der Königlichen Eisengießerei in Wasseralfingen bei Aalen.

Eine fürwahr tolle Entdeckung, über die sich die Redaktion freut – bestimmt mit der geschätzten Leserschaft. Es gefällt uns sehr, dass die StN-Sommerserie auf eine so große Resonanz stößt und wir zahlreiche E-Mails von begeisterten Spurensucher bekommen.

„Wenn Stuagert koine Stäffele hätt, /no wärs koi Stuagert meh, / no wäret seine Mädla net /so schlank ond net so schee!“, sang einst Willy Reichert, der exakt im Jahr 1896 geboren ist, als die zunächst namenlose Treppenanlage erbaut worden ist, die heute seinen Namen trägt. Viele Stäffele stammen aus einer Zeit, als Wengerter die inzwischen längst verbauten Hänge bewirtschaftet haben. Bis zum 19. Jahrhundert reichten Weinberge und Gärten bis an den Stadtrand heran. Zu den benachbarten Dörfern führten steile Wege. Weil im Kessel kein Platz mehr war, wuchs Stuttgart der Sonne entgegen – himmelwärts nach oben. Die Stadtplaner bauten die alten Weinbergstaffeln aus und machten normale Treppen daraus, die willkommene Abkürzungen boten. Davon kann unser Leser Oliver Mirkes viele Geschichten erzählen, wie er dies bei seinen Führungen regelmäßig tut (Infos und Termine unter: www.stuttgarter-staeffelestour.de

Die nächste Stuttgarter Entdeckung aus dem Kreis unserer Leser führt uns nach Degerloch. Annette Kempf hat uns das Brunnenbüble vom Wohngebiet Falterau geschickt. „Als ich vor etwa 25 Jahren nach Degerloch gezogen bin, war ich entzückt von dem Brünnele“, schreibt sie. Ihrem Mann habe man gesagt, dass es von diesem Büble drei Exemplare gäbe: eines stehe in Brüssel, eines in der Falterau und eines sei verschollen. Auch wenn die Geschichte nicht ganz der Wahrheit entsprechen dürfte, sei sie „mindestens so charmant wie die Falterau“.

Es ist nicht ganz falsch, dass es das schwäbische Manneken Pis gerade so laufen lässt. Aus Bronze und lebensgroß sind beide. Der weltberühmte Brunnenbub in Brüssel pinkelt jedoch nicht freihändig, sondern hält mit der Linken, was man halt so halten kann. Der Knirps von Belgien ist wesentlich älter: Diese Statue wurde 1619 erschaffen. In Degerloch entstand die Arbeitersiedlung Falterau als Baugenossenschaft zwischen 1911 und 1914 – mit ihr der Brunnen, den der Bildhauer Emil Kiemlen geschaffen hat. Am Brunnen vor dem Tore – anziehend wirkte das schon immer auf pinkelnde Buben.