In der Abwehr hat der VfB die wenigsten Sorgen, weil jetzt alle Positionen schon doppelt besetzt sind. Trainer Jos Luhukay hat die Qual der Wahl. So kommt es zu spannenden Duellen.
Stuttgart - Es ist nicht so, dass sich Jos Luhukay (53) hauptsächlich mit der Vergangenheit beschäftigen würde. Vielmehr schaut der Trainer des VfB Stuttgart nach vorne, um das Ziel Wiederaufstieg in die Fußball-Bundesliga anpeilen zu können. Aber natürlich kennt er auch die Statistiken und weiß deshalb, was in der abgelaufenen Saison vor allem zum Abstieg der Mannschaft in die zweite Liga geführt hat – die Schwächen im defensiven Bereich. Der VfB war die Schießbude der Nation und kassierte in den 34 Spielen insgesamt 75 Treffer – mit Abstand die meisten aller 18 Mannschaften. Zum Vergleich: den vorletzten Platz belegte Werder Bremen mit 65 Gegentoren.
Ob die Schießbude in der neuen Runde geschlossen ist, kann Luhukay jetzt noch nicht sagen. Hoffnung macht ihm allerdings, dass die Abwehr der Mannschaftsteil ist, bei dem die personellen Planungen am weitesten fortgeschritten sind. So hat Mitch Langerak seinen Platz im Tor sicher – und damit dürfte zwischen den Pfosten mehr Qualität garantiert sein als zuvor mit Przemyslaw Tyton, den Langerak erst in den letzten beiden Partien der alten Saison verdrängte.
Kevin Großkreutz rückt nach vorne
Wenn es nicht noch Abgänge gibt (Emiliano Insua?), sind in der Viererkette vor Langerak bereits alle Positionen doppelt besetzt. Dabei gehört Kevin Großkreutz voraussichtlich gar nicht mehr zu diesem Verbund, weil Luhukay die Stärken des früheren Nationalspielers weiter vorne sieht. In der Offensiv erlebte Großkreutz einst bei Borussia Dortmund ja auch seine besten Phasen.
Dafür streiten sich zwei andere Spieler um die Position des Rechtsverteidigers: Florian Klein und Jean Zimmer. Der Österreicher Klein war in der Rückrunde unter dem Trainer Jürgen Kramny auf dem Abstellgleis gelandet, aber jetzt ist Luhukay da – und er hat beispielsweise registriert, dass Klein bei der EM den portugiesischen Weltstart Cristiano Ronaldo abgemeldet hat. Zimmer kam für zwei Millionen Euro vom 1. FC Kaiserslautern und kennt sich von daher in der zweiten Liga aus.
Auf der linken Seite heißt das Duell nach dem Stand von heute Insua gegen Philipp Heise. Insua will den VfB zwar verlassen und zu Sporting Lissabon wechseln, doch ein Angebot aus Portugal liegt in Stuttgart nicht auf dem Tisch. Zudem hat Luhukay zu Insua gesagt, dass er auf ihn baut. Heise drängt jedoch ebenfalls ins Team und hat seine Wechselgedanken deshalb zumindest mal verschoben. Die Bundesliga war eine Nummer zu groß für ihn, aber dass es eine Stufe darunter reichen kann, hat er bis vor gut einem Jahr in Heidenheim gezeigt.
Timo Baumgartl soll eine Leitfigur werden
Im Zentrum streiten sich Timo Baumgartl, Marcin Kaminski, Toni Sunjic und Stephen Sama um zwei Plätze. Dabei ist der von Kramny wie Klein weitgehend ausgemusterte Baumgartl gesetzt – er soll sogar eine der neuen Leitfiguren beim VfB werden. Den Partner von Baumgartl hat Luhukay auch schon gefunden: Kaminski, der von Lech Posen verpflichtet worden ist und der sich in Stuttgart für die Rückkehr in die polnische Nationalmannschaft empfehlen will. Nur die Reservistenrolle bleibt angesichts dessen für Sunjic, den der VfB bei einer entsprechenden Ablöse gerne verkauft hätte. Aber für den Bosnier gab es bisher keinen Interessenten. Als ein Mann mit Zukunft gilt dagegen Sama, ein Eigengewächs, das in der Vorbereitung überzeugte.
Neu gemischt wurden die Karten auch im defensiven Mittelfeld, wo der VfB in Hajime Hosogai von Hertha BSC einen klassischen Abräumer geholt hat. Der Japaner ist der Nachfolger von Serey Dié (nach Basel) und gilt momentan als einziger Spieler im Kader, der diese Rolle alleine und ohne Nebenmann übernehmen kann. Mart Ristl fehlt dazu noch die Erfahrung – und Christian Gentner sowie Anto Grgic würde Luhukay gerne weiter vorne im Mittelfeld einsetzen.
Wer die Qual hat, der hat die Wahl – oder täuscht der Eindruck, dass der VfB in der Defensive mehr Optionen besitzt als in der Offensive? „Nein, das ist eine völlig richtige Beobachtung“, sagt der Sportvorstand Jan Schindelmeiser, „deshalb arbeiten wir gerade auch intensiv an Lösungen für den Offensivbereich.“ Wie gesagt – der Blick geht nach vorne. 75 Gegentore, das ist vorbei.