Heinrich Ramp ist empört das die Rolltreppen an der Haltestelle Schwabstraße nicht funktionieren. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

In Stuttgart und im Bereich des Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) gibt es 165 Rolltreppen und 166 Aufzüge. Trotzdem müssen Passanten häufig Treppen steigen. Denn die Einrichtungen sind auf Grund technischer Defekte oft wochenlang außer Betrieb – wie an der Haltestelle Schwabstraße.

Stuttgart - 88 Stufen hat die Rolltreppe an der Haltestelle Schwabstraße, Ecke Seyfferstraße. Das wäre kein Problem, würde die Rolltreppe funktionieren. Tut sie aber nicht – und zwar seit April. „Danke, Deutsche Bahn. Die Rolltreppe ist defekt seit 11. April 2016. Die Anwohner sind genervt“, haben Passanten an der Treppe plakatiert, um ihrem Ärger Luft zu machen. Und nicht nur diese Rolltreppe, auch die am nächsten Absatz funktioniert nicht. Sie hat zwar nur 33 Stufen. Zusammen mit den 88 Stufen müssen Passanten 121 Stufen nach oben überwinden. Schon ein junger Mensch gerät dabei außer Puste. Ältere Menschen mit Koffer, Kinderwagen oder Gehbehinderung stehen vor unüberwindbaren Problemen.

„Zum Glück geht derzeit der Aufzug. Trotzdem ist es nicht hinnehmbar, dass die Treppe so lange außer Betrieb ist“, stellt Heinrich Ramp fest. Der 82-Jährige geht am Stock. Und Dimitrios Mallikourus pflichtet ihm bei. „Wie soll der Mann am Stock hier hoch kommen?“, fragt der 39 Jahre alte Lagerist. Als täglicher S-Bahn-Fahrer erlebt er immer wieder, dass Aufzüge und Rolltreppen vor allem an S-Bahn-, aber auch an SSB-Haltestellen defekt sind.

15 Aufzüge sind außer Betrieb

103 Rolltreppen und 59 Aufzüge betreiben die Stuttgarter Straßenbahnen AG und die Stadt. Sie werden vom städtischen Tiefbauamt gewartet. Für die übrigen 62 Rolltreppen und 107 Aufzüge im VVS-Bereich, auch die an der Haltestelle Schwabstraße, ist die Bahn AG zuständig. Bei deren Einrichtungen sind derzeit außer den beiden Rolltreppen an der Schwabstraße die Rolltreppe an den Haltestellen Universität, Echterdingen und Vaihingen außer Betrieb sowie insgesamt 15 Aufzüge, unter anderem an den Haltestellen Bad Cannstatt, Waiblingen, Plochingen und Schorndorf.

„Bei den Rolltreppen Schwabstraße sind die Stufen kaputt. Seit Mitte Mai liegt uns ein Angebot des Herstellers vor“, sagt ein Sprecher der Bahn AG und versichert, dass sie „demnächst“ repariert werden sollen. Dass das so lange dauert, erklärt er damit, dass die Hersteller aufgrund der hohen Lagerkosten keine Ersatzteile vorrätig haben. Tiefbauamt und Bahn AG verzeichnen pro Jahr rund 8000 Störfälle. „Oft wird die Technik mutwillig lahmgelegt“, sagt der Bahn-Sprecher. Seit Jahresbeginn stattet die Bahn ihre Rolltreppen und Aufzüge mit Signalanlagen aus, die Störungen direkt an die sogenannte 3-S-Zentrale, die Zentrale für Service, Sicherheit und Sauberkeit, weiterleiten. Damit will die Bahn schneller als bisher Defekte beheben. Denn bislang waren die Bahn-Mitarbeiter auf Beschwerden von Passanten und eigene Kontrollgänge angewiesen.

Gesamtaufwand liegt bei vier Millionen Euro

Das Tiefbauamt arbeitet bereits mit einem automatischen Störungsmeldesystem. Defekt sind derzeit die Abfahrtstreppe am Hauptbahnhof Richtung Schlossplatz sowie ein Aufzug in Steinhaldenfeld. Die Instandhaltungskosten liegen pro Rolltreppe und Aufzug bei rund 10 000 Euro. Macht insgesamt rund 1,6 Millionen Euro plus eine Million Euro Personalkosten. Außerdem müssen die Rolltreppen etwa alle 25 Jahre für rund 250 000 Euro ausgetauscht werden. Damit liegt der Gesamtaufwand laut Claus-Dieter Hauck vom städtischen Tiefbauamt bei rund vier Millionen Euro im Jahr. Die Bahn AG dürfte ähnlich hohe Investitionen haben.

Wegen Störungen gehen bei Hauck pro Monat bis zu 20 Beschwerden per E-Mail oder gelber Karte ein. Bei Walter Tattermusch, Behindertenbeauftragter der Stadt, sind es ein halbes Dutzend. Allerdings leiden die Menschen, die sich an ihn wenden, besonders unter defekten Rolltreppen und Aufzügen. Denn den größten Teil der rund 45 000 schwer behinderten Stuttgarter stellt das Treppensteigen vor große oder unüberwindliche Probleme. „Diese Menschen werden durch solche Barrieren von der Teilnahme am öffentlichen Leben ausgeschlossen“, sagt Tattermusch.

So sieht es auch Wolfgang Ziegler. Der emeritierte, 78 Jahre alte Juraprofessor ist zu 100 Prozent schwerbehindert. Wegen der häufig stillgelegten Aufzüge und Rolltreppen ist er fast nur noch mit dem Taxi unterwegs. „Die Betreiber haben eine Verkehrssicherungspflicht. Dazu gehört, die Einrichtungen in Schuss zu halten und in Betrieb zu haben“, sagt er – und denkt über juristische Schritte gegen die Bahn nach.