Natia Dikhtyar Foto: Baghaturia

Die in Georgien geborene Stuttgarterin Natia Dikhtyar präsentiert mit „Natia – The Album“ ihre erste CD

Stuttgart - Wer Schubidu singt, bewegt sich in der Welt des Schlagers, bei A wop bop a loo bop ist es der Rock ‚n’ roll und bei Hollaröhdulljöh wird es alpenländisch – aber wie geht die Entsprechung für anspruchsvollen Jazzgesang? – Natja Dikhtyar macht einen Erklärungsversuch: „Das erste Jazz-Stück, das ich richtig angehört habe, war „It Don’t Mean a Thing If It Ain’t Got That Swing“. Seitdem war mir klar, dass es der Jazzgesang für mich sein muss.“

Begehrte Musik in Zeiten der Zensur

Das ist natürlich gut nachvollziehbar. Der Jazzklassiker aus dem Jahre 1931 von Duke Ellington hat sehr viele Musiker zum Jazz inspiriert, allein der Titel ist schon eine Programm-Aussage. Doch im Falle der jungen Sängerin Dikthyar verhält sich die Sache nicht so einfach. Geboren und aufgewachsen in der georgischen Hauptstadt Tiflis in Zeiten der Sowjetunion galt dort: Alles, was amerikanisch ist, war dort suspekt, sprich: verboten. Aber wie es eben so ist mit der Zensur: Gerade das, was verboten ist, ist interessant. „Alles, was in dieser Hinsicht zu bekommen war, war höchst begehrt, egal ob es eine Information, ein Notenblatt, eine Schallplatte oder eine Musikkopie auf Tonband oder Musikkasette war. Da hatte jeder so seine Quellen“, erinnert sich Dikthyar: „Jede Kleinigkeit haben wir in uns aufgesogen“.

Das ist nun schon viele Jahre her, vieles hat sich für die Georgierin verändert: Seit 2005 lebt sie in Deutschland, die Rosenrevolution jener Jahre hat insbesondere die Situation der jungen Menschen in Georgien nicht verbessert. Und musikalisch kann sie hier in Deutschland jedenfalls aus dem Vollen schöpfen. Insofern war es höchste Zeit für eine eigene erste CD: „Natia – the album“ heißt diese mit schlichtem Titel.

Stilistisch ist viel geboten

Inhaltlich und stilistisch geht es aber ganz schön zur Sache: Klassiker gibt es da wie „When I Fall In Love“ oder „Once I Loved“ von Antonio Carlos Jobim, den „Freedom Jazz Dance“ oder „Blue In Green“ von Bill Evans und Miles Davis. Hinzu kommen ziemlich ambitionierte Versionen von Pop Songs wie „Don’t give up“ von Peter Gabriel oder „That Girl“ von Stevie Wonder. Und dann kommen noch eigene Sachen von Natia und ihrem Produktionspartner Patrick Mueller-Weyrich hinzu. Bis zu zehn Musiker mit verschiedensten Instrumenten und ein Chor sind da zum Teil sehr ausführlich daran beteiligt.

Viel Material für die nächste CD

Solch eine erste CD ist meist eine sehr schwierige Geburt: So viele Stücke, die man aufnehmen will, so viele Ideen, die man da unbedingt umsetzen will. Und dann Fragen wie: Wer ist der richtige Vertriebspartner, wer der ideale Toningenieur, welches Studio ist der ideale Aufnahmeort? – Natia kann auch davon ein Lied singen: „Es hat einige Jahre gedauert, bis die CD fertig wurde. Wir waren in vier verschiedenen Studios. Es war immer sehr schwierig, mit den Musikern gemeinsame Termine und gute Orte zu finden.“ Andere Hürden wie die richtige Auswahl haben ihr offensichtlich weniger Probleme bereitet. „Was hier nicht veröffentlicht werden konnte, kommt auf die zweite CD“, erklärt sie da forsch, „Da habe ich schon ziemlich klare Vorstellungen, wie die aussieht“. Jetzt muss für diese aber auch erst mal das Geld da sein.

Der freie Jazzgesang

Der Zuhörer merkt freilich nichts von diesen Produktionsschwierigkeiten, soll er ja auch gar nicht. Er erlebt vielmehr ein äußerst abwechslungsreiches Musikalbum von einer Sängerin mit einer sehr wandlungsfähigen Stimme, die umso befreiter und zupackender klingt, je freier es im Gesang zugeht. Am liebsten ist ihr in der Tat der so genannte Scat-Gesang, bei dem munter Buchstaben, Wörter und Silben aneinandergereiht werden, ohne dass diese freilich unbedingt Wörter, Sätze oder gar Sinnzusammenhänge ergeben, freier Jazzgesang also in Reinkultur. Ihre Vorbilder sind da etwa die Polin Urszula Dudziak oder die Amerikanerinnen Betty Carter und Carmen McRae. Für viele klingt das wie reine Stimmakrobatik. Natia schätzt da aber mehr die Lust an der Imitation, also das Umsetzen von Geräuschen, Musikinstrumenten, von Rhythmen, stimmliche Bocksprünge allein um deren selbst willen sind nicht so ihr Ding.

Georgische Klänge in der Stadt

Inzwischen hat sie in Stuttgart ihren Lebensmittelpunkt gefunden. Hier hat sie an der Musikhochschule ihr Studium in Jazz- und Popgesang abgeschlossen mit Nebenfach Klavier, das sie in Tiflis begonnen hat. Hier ist sie an der Volkshochschule Rotebühlplatz die Leiterin des internationalen Popchors. Und mit Landsleuten singt sie mit in einem georgischen Chor, der einmal im Monat einen orthodoxen Gottesdienst mitgestaltet. Und mehr von ihrer georgischen Heimat soll es auch auf ihrer nächsten CD geben, einige Beispiele auf dem Erstling machen schon neugierig darauf.