Vor allem der Umgang mit der AfD und die Flüchtlingskrise beschäftigten die Frontmänner der sechs Parteien beim Treffpunkt Foyer unserer Zeitung.
Stuttgart - Jörg Meuthen muss geahnt haben, dass er es gerade zu Beginn nicht leicht haben würde: Als der Spitzenkandidat der Alternative für Deutschland (AfD) auf der Bühne der Stuttgarter Liederhalle angekommen war, sich zwischen seinem liberalen Konkurrenten Hans-Ulrich Rülke und dem Linken Bernd Riexinger wiederfand, da suchte Wirtschaftsprofessor Meuthen den Blick seiner Frau. Der zwinkerte er zu, atmete tief durch – als auch schon der erste Angriff kam.
Die Attacke startete Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Der grüne Frontmann warf Meuthens Parteigängern vor, in der Sprache von Extremisten zu reden, die „Anknüpfungen an die Zeit des Dritten Reiches“ nicht scheuten. Beispielsweise wenn die AfD das Schreckgespenst an die Wand male, „Hunderte Millionen von Flüchtlingen“ strömten nach Deutschland. Das sei „Demagogie der übelsten Sorte“ – solche Extremisten hätten nur „Unglück über die Völker gebracht“.
Meuthen, ganz Wissenschaftler, begründete seine Meinung mit dem Verweis auf eine – allerdings umstrittene – Studie der US-Denkfabrik Gallup-Institut. Die Studie bezieht die Anzahl der Vertriebenen mitnichten auf Deutschland, sondern untersucht die weltweiten Flüchtlingsströme. Wohl wegen solcher Tricks attackierte FDP-Mann Rülke den Kehler Akademiker: „Die Flüchtlingskrise ist eine Krise, die verantwortliche und demokratische Parteien lösen. Da sind Sie keine Alternative für Deutschland.“
„Anstand und Haltung zeigen“
Zum ersten Mal im baden-württembergischen Wahlkampf trafen die sechs Spitzenkandidaten am Mittwoch beim Treffpunkt Foyer in einer Diskussionsrunde aufeinander, die realistisch den Sprung in den nächsten Landtag schaffen könnten. Vor Wochen war eine derartige Runde im SWR noch am Widerstand der Grünen und der SPD gescheitert.
Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) begründete dies damit, dass die „AfD keine Partei ist, die normal demokratisch unterwegs ist“, sondern rassistisch. Deshalb zog er für den Urnengang am 13. März eine rote Linie: An diesem Tag „geht es darum, Anstand und Haltung zu zeigen“. Energisch fuhr Schmid fort: „Anständige Leute wählen keine Rassisten – Ende der Durchsage!“
Dem sekundierte Christdemokrat Guido Wolf. Die AfD sei eine Partei, die rechtsextreme Positionen vertrete, mit denen er nichts zu tun haben wolle. Aber, sagte Wolf in Richtung seiner SPD- und Grünen-Konkurrenten, „ich bin froh, dass Sie sich heute der Diskussion stellen, die AfD zwingen, ihre Parolen öffentlich zu verteidigen“.
„Im Wahlkampf nichts zu bieten“
Der Linke Riexinger nutzte den engagierten Diskurs in der Liederhalle für einen Seitenhieb: „Wir reden hier immer über die AfD, die doch in Baden-Württembergs Wahlkampf nichts zu bieten hat“.
„Glauben Sie, wenn die AfD eine extremistische Partei wäre, dann wäre ich ihr Sprecher?“, fragte Meuthen. „Wir wollen den Menschen, die zu uns kommen, nichts Böses zu tun“, sagte er. Und musste sich den Vorwurf seiner Mitbewerber gefallen lassen, ob denn die AfD überhaupt noch seine Partei sei, wenn er sich immer nur von extremistischen und rechtspopulistischen Positionen seiner Parteimitglieder distanzieren müsse.
Der AfD-Landtagskandidat aus Kirchheim/Teck, Günter Lenhardt, hatte vergangene Woche in einem Interview gesagt, „dem Flüchtling ist es doch egal, an welcher Grenze, an der griechischen oder an der deutschen, er stirbt“. Der Bundeswehrreservist habe inzwischen alle Parteiämter niedergelegt, versicherte Meuthen.
Sympathie für Merkel
Er will in der Flüchtlingspolitik, dass die Fehler aufhören, die aktuell von der Bundesregierung gemacht würden: „Wir müssen die Kontrolle zurückbekommen.“ Das will auch CDU-Mann Wolf. Er forderte Kretschmann auf, abgelehnte Asylbewerber schnellstmöglich in ihre Heimatländer zurückzuführen. „Machen Sie Platz für die, die eine Bleibeperspektive haben!“, forderte er Richtung Kretschmann. Der Liberale Rülke ermunterte den Ministerpräsidenten, sich eindeutig dazu zu bekennen, die nordafrikanischen Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien und Marokko zu sicheren Herkunftsländern zu erklären.
Der Gescholtene gestand seine Sympathie für Kanzlerin Angela Merkel (CDU): „Wer soll denn Europa zusammenhalten, wenn nicht die Kanzlerin. Deswegen bete ich für ihre Gesundheit.“ Zerbreche Europa in dieser Krise, dann „kann das nur in einer Katastrophe für den ganzen Kontinent enden“. Er werde sich mit seiner Haltung zu sicheren Herkunftsländern in Nordafrika dann äußern, wenn „die Bundesregierung das Thema zur Abstimmung auf den Tisch legt“. Die gebe ohnehin den Zeitplan in dieser Frage vor.
Riexinger warf der grün-roten Landesregierung vor, in den vergangenen fünf Jahren nichts getan zu haben, um bezahlbaren Wohnraum für alle Menschen in Baden-Württemberg zu schaffen. Zudem seien die Menschen in der sozialen Arbeit „viel zu schlecht bezahlt“. Da müsse sich dringend etwas ändern.
Viermal die schwarze Null
Beim Thema Schuldenbremse schloss Kretschmann aus, den Notparagrafen zu ziehen, um für die Unterbringung und das Wohl der Flüchtlinge neue Schulden aufnehmen zu können. Vor einigen Jahren hatte Kretschmann sich an der Seite des damaligen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) in der Föderalismuskommission für die Schuldenbremse eingesetzt. Die 2009 beschlossene Regelung sieht vor, dass die 16 Bundesländer von 2020 an keine neuen Schulden mehr machen dürfen. Man habe die Schuldenbremse in die Verfassung geschrieben, „und das ist auch gut so“, sagte der Ministerpräsident: „Es müssen eben harte Einsparungen folgen.“
Die Voraussetzungen dafür sind gut. Die Steuereinnahmen sprudeln so stark wie noch nie. Finanz- und Wirtschaftsminister Schmid betonte, dass es unter ihm viermal die schwarze Null gegeben habe: „Das hatten wir in den Jahren zuvor nicht.“
Wolf entgegnete, dass der von Schmid gezogene Vergleich wegen der Weltwirtschaftskrise nicht zulässig sei. 2008 sei die Konjunktur über Nacht zusammengebrochen, sagte der CDU-Spitzenkandidat: „Da konnten wir die schwarze Null gar nicht halten.“ Die Opposition wirft dem Superminister derweil vor, nicht entschlossen genug gespart und Schulden nicht getilgt zu haben. „Ihnen ist das Geld zur Tür herein geschwemmt worden“, sagte FDP-Vormann Rülke zu Schmid, „und Sie haben alles verfrühstückt, was Sie eingenommen haben, und dazu noch zusätzliche Schulden aufgenommen.“
Landesstiftung soll aufgelöst werden
In einem Punkt waren Schmid und Rülke sich dann doch zumindest halbwegs einig: Dass man an die Gelder der baden-württembergischen Landesstiftung ran müsse, um in die Infrastruktur zu investieren. Vor allem die Breitband-Infrastruktur müsse dringend ausgebaut werden, forderte Rülke. Die Mittelständler in vielen Gewerbegebiete seien „notleidend“. Schmid sagte daraufhin, der steueroptimale Zeitpunkt für eine Auflösung der Landesstiftung sei „tatsächlich in der nächsten Legislaturperiode“. Dafür ist im Landtag jedoch eine Drei-Viertel-Mehrheit nötig. Der Finanz- und Wirtschaftsminister sagte allerdings auch, dass Infrastruktur und sozialer Wohnbau Themen seien, die man nicht einmal oder zweimal angehen dürfe: „Da muss man dauerhaft am Ball bleiben. Deshalb: Lassen Sie mich am besten einfach weitermachen!“
CDU-Spitzenkandidat Wolf warf Grün-Rot unterdessen „sinnlose Ausgaben“ durch die Polizeireform und das „Aufblähen des Verwaltungsapparats“ – etwa im Verkehrsministerium – vor. Diese Ausgaben wolle er zurückfahren. Auf den Vorwurf, dass die Landesregierung beim Breitband-Ausbau nicht schnell genug vorankomme, antwortete Ministerpräsident Kretschmann, dass erst neue Leitungen in die Gewerbegebiete verlegt werden müssen. Man könne doch auch nicht einen Spoiler an einen Fiat montieren und dann meinen, man könne damit jetzt Formel 1 fahren.