Der Tunnel unter der Kulturmeile ist wieder im Gespräch. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Technisch wäre ein Tunnel unter der Kulturmeile prinzipiell machbar. Doch welchen Effekt hätte die millionenschwere Investition in die Verkehrsinfrastruktur, und welche Hindernisse lauern im Untergrund?

Stuttgart - Die Neuauflage der Pläne für eine Untertunnelung der Kulturmeile unterscheiden sich kaum von jenen Skizzen und Ideen, die 2009 in Folge der weltweiten Finanzkrise wieder in der Schublade verschwanden. Diesmal, so hoffen Stadträte, aber auch engagierte Bürger, könnte die erstrebte Flaniermeile zwischen Oper und Staatsgalerie Realität werden – schließlich ist die Haushaltskasse prall gefüllt. Wie aber sind die Voraussetzungen für eine Tunnelgrabung im Untergrund? Und gäbe es Alternativen? Zumindest letztere Frage soll der städtebauliche Wettbewerb für die B 14 beantworten. Den bringt die Stadt am 21. Juli mit einer Bürgerbeteiligung auf den Weg. Eine Mehrheit des Gemeinderats steht der Tunnelvariante aufgeschlossen gegenüber, will aber die Kreativität der Planungsbüros nicht einschränken.

Pläne für Tunnel gab es immer wieder, sie wurden aber nie realisiert

Heute passieren täglich mehr als 100 000 Autos die vormalige Adolf-Hitler-Straße zwischen Charlottenplatz und Gebhard-Müller-Platz, die später zunächst unter der Bezeichnung Neckarstraße firmierte. 1973 wurde der Abschnitt teilweise tiefer gelegt und überdeckelt. Seither ist in der Konrad-Adenauer-Straße Berg- und Talfahrt angesagt. Pläne für einen richtigen Tunnel, aber auch für eine Hochstraße über der bestehenden Fahrbahn hatte es zwischen 1970 und 1990 immer wieder gegeben, sie wurden aber nie realisiert.

Zuletzt wurden die Überlegungen für einen City-Boulevard der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL) inklusive Tunnel 2011 wieder ad acta gelegt, weil der Stadthaushalt konsolidiert werden musste. Für das damals auf 70 Millionen Euro geschätzte Prestigeprojekt war kein Geld da. Ein weiterer Grund: Auch nach einem Tunnelbau wären noch immer rund 40 000 Fahrzeuge an der Oberfläche verblieben, was damals viele im Rathaus am Sinn der Investition zweifeln ließ. Knapp zehn Jahre später liegt die aktuelle Kostenschätzung bei mindestens 170 Millionen Euro, die Zahl der oberirdisch verbleibenden Fahrzeuge nach Schätzungen der städtischen Verkehrsplaner bei 38 000. Tunnelskeptiker wie etwa die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus fragen immer lauter, ob es nicht besser wäre, mehr in den Öffentlichen Nahverkehr zu investieren, anstatt Millionen zu vergraben.

Das der Tunnel trotzdem wieder auf der Tagesordnung steht, hat viel mit dem Verein Aufbruch Stuttgart um den TV-Moderator Wieland Backes zu tun. Die mit Kulturschaffenden gespickte Bürgerinitiative kämpft seit ihrer Gründung Anfang 2017 für eine Aufwertung der Kulturmeile durch die Überwindung der Verkehrsschneise. Zugleich machen sich Backes und seine Anhänger für den Bau einer Philharmonie nahe der Oper stark, die auch als Übergangsquartier während der Sanierungsdauer des Großen Hauses herhalten soll. Diese Idee ist politisch und in der Öffentlichkeit höchst umstritten.

Teile des Tunnels tangieren die Kernzone des Heilquellenschutzgebiets

Rein technisch ließe sich ein Tunnel unter der Kulturmeile erstellen, doch im Untergrund und bei der Koordination mit einer anderen Großbaustelle lauern Tücken. So müsste etwa der 1987 erstellte Fußgängertunnel zwischen dem Landtag und dem Haus der Abgeordneten während der Bauzeit stillgelegt und durch einen provisorischen Steg ersetzt werden. Der fertige Straßentunnel würde dann den Tunnel für die Abgeordneten unterqueren. Die unterirdische Fußgängerfurt zwischen der Oper und der Staatsgalerie auf Höhe der Eugenstraße würde dagegen entfallen. Nach Angaben von Claus-Dieter Hauck, beim städtischen Tiefbauamt zuständig für Tunnelplanungen, müssten zudem Kanäle und Versorgungsleitungen neu verlegt werden. „Natürlich müssten wir auch besonders auf den Schutz der Mineralwasserquellen achten“, verweist Hauck auf die Erfahrungen beim Bau von Stuttgart 21. Ein Teil des Kulturmeilen-Tunnels würde die Kernzone des Heilquellenschutzgebiets tangieren. Dort gelten besonders strenge Auflagen beim Bauen.

Apropos Stuttgart 21: Die im Zuge des Bahnprojekts vorgesehene Verlängerung des Straßendeckels am Gebhard-Müller-Platz in Richtung Sängerstraße wird voraussichtlich vor Baubeginn des B-14-Tunnels 2022/2023 fertig, was die Planungen für einen nördlichen Tunnelein und -ausgang verkompliziert. Die unterirdisch geführte Stadtbahn steht dagegen – anders als auf allen anderen Abschnitten der B 14 – dem Straßentunnel nicht im Wege. Die Stadtbahnröhren zwischen den Haltestellen Charlottenplatz und Staatsgalerie verlaufen parallel zu und westlich der heutigen Fahrbahn. Das größte Problem dürfte freilich die Verkehrsführung während der Bauzeit sein. Weil keine adäquaten Umleitungsstrecken für diese Verkehrsmengen zur Verfügung stehen, würden die Autos mindestens sechs Jahre lang die Konrad-Adenauer-Straße verstopfen – ein weiterer Flaschenhals in der von Baustellen umtosten Stuttgarter City.