Der Entwurf des Büros ASP und weiterer Planungsbüros, der den ersten Preis erhielt: Ein Gleisbogenpark verläuft zwischen dem Nordbahnhofviertel (oben) und dem neuen Rosensteinquartier (unten) Foto: ASP Architekten/Koeber Landschaftsarchitektur

Die zwei wichtigsten städtebaulichen Entwürfe für die Stuttgart-21-Viertel werden überarbeitet. Die Projektkritiker möchten darin noch oberirdische Gleise zum Hauptbahnhof sehen. Aber da spielt die Mehrheit im Rathaus nicht mit.

Stuttgart - Um das künftige Rosensteinquartier von Stuttgart 21 wird wieder gestritten. Hannes Rockenbauch (SÖS/Linke-plus) hat am Dienstag im städtischen Ausschuss für Umwelt und Technik einen Frontalangriff auf das städtebauliche Wettbewerbsverfahren geführt. Er erntete heftigen Widerspruch von Städtebaubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) sowie der Ausschussmehrheit.

Rockenbauch forderte, wenigstens bei der bevorstehenden Überarbeitung der beiden wichtigsten Wettbewerbsarbeiten müsse noch die Erhaltung des Paketpostamtsgebäudes und einiger oberirdischer Gleise für einen künftigen Kombibahnhof berücksichtigt werden. Begründung: Mit einem ausschließlich unterirdischen Hauptbahnhof sei der neue Bahnknoten nicht leistungsfähig genug und ein Betriebsende im Paketpostamt sei nicht absehbar. Sowohl in dem mit dem ersten Preis ausgezeichneten Entwurf einer Arbeitsgemeinschaft um das Stuttgarter Büro ASP Architekten wie auch in dem zweitplatzierten Entwurf einer Arbeitsgemeinschaft um das Büro Laux Architekten (München/Stuttgart) gebe es für die Gleise noch Spielraum. Der Wettbewerb sei bisher völlig schief gelaufen. Die Notwendigkeit der Verkehrswende schlage sich darin nicht nieder.

Baubürgermeister weist Forderungen von SÖS zurück

Pätzold entgegnete dem Stuttgart-21-Dauerkritiker, der Gemeinderat habe vor etwa einem Jahr den klaren Beschluss gefasst, dass keine oberirdischen Gleise erhalten würden. Außerdem sei entschieden, dass das Paketpostamt nach dem Auszug der Post abgerissen und die Fläche für die Erweiterung des Parks genutzt werde. Rockenbauch solle sagen, wo er überhaupt bezahlbare Wohnungen schaffen wolle, wenn nicht auf dem 85 Hektar großen Wettbewerbsgebiet im städtischen Besitz und benachbarten Flächen. Hier sieht die Stadt insgesamt bis zu 7500 Wohnungen vor, um die auch von Rockenbauch abgelehnte Bebauung von Außenflächen im Grünen zu vermeiden.

Auch die Grünen und die SPD kritisierten die Haltung der SÖS beim Wohnungsbau. Allerdings teilte die SPD die Kritik, die die SÖS am bisherigen und weiter geplanten Verfahren vorgebracht hatte und die im Vorwurf einer völlig unzureichenden Bürgerbeteiligung gegipfelt war.

Zuvor waren den Stadträten von den Planern die Entwürfe erläutert worden, die das Preisgericht mit dem ersten und dem zweiten Preis ausgezeichnet hatte, die aber auch weiterentwickelt werden sollen. Der erstplatzierte Entwurf schlägt Blockrandgebäude mit inneren Plätzen und Quartiershubs samt Gemeinschaftseinrichtungen sowie einen erhöhten Gleisbogenpark anstelle bisheriger Gleise vor. Im Bereich Mittnachtstraße soll es einen barrierefreien Durchlass in diesem Park geben, einen Platz und damit eine Klammer zwischen alten und neuen Vierteln. Die B14 soll entlang des Schlossgartens überdeckelt werden, um so den Stuttgarter Osten und den Stuttgarter Norden besser zu verbinden. Der zweitplatzierte Entwurf sieht unter anderem eine „Uptown“ am Rand des Rosensteinparks mit bis zu 90 Meter hohen Häusern vor – als Endpunkt des S-21-Areals, Gegenstück zur „Downtown“ im Zentrum und als neuartiges Stück Stuttgart.

Grüne neigen zum erstplatzierten Entwurf, die CDU zum zweitplatzierten

Die Grünen finden den erstplatzierten Entwurf „bestechend“, weil er auf die Vernetzung von Stadtvierteln setzt und weil die Blockrandstrukturen hohe bauliche Dichte versprächen, sagte Andreas Winter. Den anderen Entwurf sehen sie kritisch: „Die bauliche Dichte der Hochhäuser geht so nicht“, sagte Gabriele Munk. Außerdem könnte man „frühere Fehler“ wiederholen und vielleicht wieder Sozialarbeit notwendig machen.

CDU-Fraktionschef Alexander Kotz gestand, sein Herz schlage für diesen Entwurf, der klarere Antworten auf die städtebaulichen Fragen biete. Er kaschiere auch nicht, dass da ein späterer Bauteil zur Innenstadt kommt. Höhere Gebäude könne sich die CDU auch gut vorstellen, sagte Kotz. Michael Conz (FDP) pflichtete bei: Das gehe etwas weg vom üblichen spießigen Einerlei in Stuttgart.

SPD-Chef Körner war etwas besorgt, der Super-Cycle-Highway, den das Büro Laux zwischen dem Manfred-Rommel-Platz und Schloss Rosenstein vorsah, werde die schon bisher im Gleisvorfeld bestehende topografische Barriere verstärken. Und die „Uptown“ wachse etwas unvermittelt aus dem Boden. Die Architektin Ina Laux versuchte die Sorgen zu zerstreuen. Der Hochhausstandort sei nicht automatisch ein sozialer Brennpunkt oder ein teures Wohnviertel. Man denkt an unterschiedliche Gebäudetypologien und verschiedene Trägerkonzepte auch in der „Uptown“. Über Zahl und Höhe der Hochhäuser könne man reden. Und der Super-Cycle-Highway sei nicht etwa als eine Autobahn für schnelle Radfahrer gedacht, sondern als eine breite Achse für „verschiedene Tempi“. An den Hängen könne man sich auf und ab bewegen.

Preisgericht soll vor den Sommerferien erneut entscheiden

Am ASP-Entwurf, den Markus Weismann vorstellte, wurde kritisiert, dass er einen großen Bildungs- und Sportcampus recht abgelegen beim Lokschuppen am Rosensteinpark ansiedele. Zudem hat man Sorge wegen der „harten Parkkante“ des Gleisbogenparks, den ASP zwischen Nordbahnhofviertel und Neubaugebieten entwarf. Überhaupt wird der Umgang der Büros mit der Topografie – einst für die Gleisbauten stark verändert – noch ein wichtiges Thema bei der Überarbeitung der Entwürfe sein. Ebenso die Frage der Vernetzung von Stadtteilen und das Wohnungsgemenge, sagte Bürgermeister Pätzold. Was die Jury dann empfehlen und der Gemeinderat als städtebauliches Skelett vorziehen wird, ist noch lange nicht klar.

In einem bestärkte sowohl Ina Laux wie auch Markus Weismann die Stadträte im Interesse von bezahlbaren Wohnungen: die richtige Bodenpolitik zu wählen und Wohnungsbaugenossenschaften einzubinden.