Um Mitternacht geht es zum Jahreswechsel richtig los: Manche lieben das Silvesterfeuerwerk, andere lehnen es ab. Foto: imago images/Christian Ohde

Viele leiten das neue Jahr mit Böllern, Knallfröschen und Raketen ein. Doch das Feuerwerk zu Silvester hat auch seine Kritiker. Sie verweisen auf Lärm, Luftverschmutzung oder Müll sowie auf Gefahren für Menschen, Tier und die Umwelt.

Ein Unterhaltungskracher oder ein Burn-out für Umwelt, Tiere, Geldbeutel? Das Silvester-Feuerwerk hat Fans und Feinde. Auch im Kreis Esslingen sind die Meinungen darüber geteilt.

 

Tierheim Esslingen Tiere mögen es nicht. „Tierschützer fordern darum schon lange ein Verbot des Silvesterfeuerwerks“, teilt Leiter Horst Theilinger mit. Denn die Knallerei bedeute zusätzlichen Stress, auch für die Besitzer. In Panik geratene Tiere könnten auf die Straße rennen und Unfälle verursachen, und Tiere im Winterschlaf würden gestört: „Für Vögel, die durch ihren Energieverlust im Winter sowieso schon geschwächt sind, kann die Panik auch tödlich sein.“

Verband der Pyrotechnischen Industrie Der VPI hält als Interessensverband das Silvester-Feuerwerk für einen Kracher. Klagen wegen möglicher Umweltgefährdungen kann Geschäftsführer Klaus Gotzen nicht nachvollziehen: „Nach unseren vom Umweltbundesamt bestätigten Untersuchungen liegt der Anteil an CO2 durch Feuerwerk bei gerade einmal 2373 Tonnen.“ Gerechnet auf die Gesamtemission von CO2 in Deutschland von 805 000 000 Tonnen ergebe sich dadurch ein Anteil von 0,00013 Prozent. Die Verkaufsverbote während der Corona-Zeit seien ein harter Schlag für die Branche mit ihren etwa 3000 Mitarbeitenden gewesen: „Mehr als 90 Prozent der gewohnten Umsätze brachen über Nacht weg.“

Esslingen-Feinstaub-Lärm Ganz anders beurteilt Jörg Sanzenbacher von Esslingen-Feinstaub-Lärm die Zahlen und die Lage. Er spricht von negativen Einflüssen durch Lärm, Müll oder Luftverschmutzung und verweist auf schädliche Auswirkungen auf Menschen, Tier und Natur. 2017 etwa seien in Deutschland 137 Millionen Euro für Böller ausgegeben worden, doch die Kosten für die Umwelt seien höher: „Laut Umweltbundesamt setzen Böller jedes Jahr mehr als 2000 Tonnen Feinstäube unterschiedlicher Größen frei.“ Davon seien 85 Prozent besonders schädlich, weil sie eine Korngröße kleiner als 2,5 Mikrometer aufweisen würden und damit gesundheitsschädlich seien: „Feinstäube dieser Größenordnung sind in der Lage, von der Lunge in den Blutkreislauf zu gelangen.“ Trotzdem erwarte er, dass in diesem Jahr wieder verstärkt geböllert werde, „weil Fakten wenig Einfluss auf eingeübtes Verhalten haben“. Zur Verhaltensänderung brauche es Übung.

Klinikum Esslingen Von einem erhöhten Verletzungsaufkommen durch Silvesterfeuerwerk kann Klinikum-Pressesprecherin Anja Dietze nicht berichten: „Wir hatten während des Jahreswechsels 2021 auf 2022 keinen einzigen Notfall aufgrund von Feuerwerk. Auch im vergangenen Jahreswechsel gab es keine derartigen Verletzungen.“ Zu beobachten wären aber vermehrt alkoholbedingte Notfälle etwa durch Stürze. Ihr Fazit: „Dass ein Böllerverbot für die Krankenhäuser jetzt eine massive Entlastung bedeutet, geben die Zahlen nicht her.“

Polizei In der Röntgenstraße in Esslingen hatte ein Mann an Silvester letzten Jahres einen Feuerwerkskörper gezielt in eine Personengruppe geworfen und damit ein Knalltrauma bei zwei Menschen verursacht. Am Nachmittag hatten ein Neun- und ein Elfjähriger beim Fußballspielen auf dem Sportplatz in Altbach eine nicht abgebrannte Silvesterrakete gefunden. Beim Versuch, sie zu entzünden, explodierte sie in der Hand des Neunjährigen, der andere Junge wurde durch umherfliegende Teile leicht verletzt. Über solche und ähnliche Fälle informiert das auch für den Landkreis Esslingen zuständige Polizeipräsidium Reutlingen jedes Jahr zu Silvester. Im Vorjahr wurden 460 Vorkommnisse registriert. An den beiden Corona-Silvestern 2021 und 2020 waren es 400 und 340 gewesen. „Überwiegend handelte es sich dabei um Auseinandersetzungen, Streitigkeiten, Sachbeschädigungen, Einsätze aufgrund alkoholisierter Personen, Brände mit unterschiedlichem Ausmaß, oft durch unsachgemäßen Umgang mit Feuerwerkskörpern, oder Verstöße gegen das Waffengesetz durch unerlaubtes Führen von Schreckschusswaffen“, sagt Ramona Döttling von der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit. Die Polizei appelliere mit Blick auf die Brand- und Verletzungsgefahr zu einem verantwortungsvollen, umsichtigen und sachgemäßen Umgang mit Feuerwerkskörpern.

Landratsamt Esslingen Nein, gehäufte Brandeinsätze habe es in den letzten Jahren im Kreis in der Silvesternacht nicht gegeben, teilt das Amt für Katastrophenschutz und Feuerlöschwesen der Kreisbehörde mit. Die Belastung der Feuerwehren sei nicht besonders hoch: „Eine Gefahrenminimierung wäre aber zum einen durch die bestimmungsgemäße Handhabung der Artikel und zum anderen durch Verbotszonen in eng bebauten Vierteln möglich – obwohl es bisher keine signifikante Häufung der Einsatzzahlen in der Silvesternacht gab.“

Verbraucherzentrale Auf die Gefahren von Feuerwerkskörpern weist auch Oliver Buttler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hin. Feuerwerke außerhalb von Silvester etwa zu Hochzeiten oder Firmenjubiläen müssten extra von den kommunalen Ordnungsämtern genehmigt werden. Zum Jahreswechsel sei der Verkauf nur an den letzten drei Werktagen eines Jahres erlaubt. Beim Einkauf sollte auf die CE-Kennzeichnung geachtet werden. Es sei ein Hinweis darauf, dass das Produkt vom Hersteller geprüft wurde und es alle EU-Anforderungen zu Sicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz erfüllte. Von Käufen im Ausland oder über das Internet ohne bestimmte Qualitätskennzeichnung sei dringend abzuraten. Das Selbstbauen von Feuerwerkskörpern sei verboten.

Tipps für die Silvesternacht

Tierbesitzer
Hunde sollten wegen des Böllerns an Silvester nach Ratschlägen von Horst Theilinger angeleint bleiben. Eine Plakette mit Kontaktdaten solle am Halsband befestigt sein, da eine Leine aus der Hand rutschen könne. Ablenkungen mit Fernsehen, Radio oder Kauknochen wären empfehlenswert. Tiere, auch Kaninchen und Freigängerkatzen, sollten ins Haus geholt, Fenster und Türen geschlossen sowie die Rollläden heruntergelassen werden.

Verbrennungen
Leichte Verbrennungen mit Hautrötung oder Blasenbildung können selbst versorgt werden, wenn sie nicht großflächig sind, rät Anja Dietze vom Klinikum Esslingen. Betroffen wären dann ein Prozent der Körperfläche, was ungefähr der Größe der Handfläche des Patienten entspreche. Leichtere Verbrennungen sollten zur Schmerzlinderung sofort unter Leitungswasser gekühlt werden. Brandblasen sollten wegen der Infektionsgefahr nicht geöffnet werden, Brandwunden müssten steril verbunden werden. Von der Anwendung von „Hausmitteln“ wie Öl oder Quark auf der Wunde wird abgeraten.

Schwere Verletzungen
Schwerere Verbrennungen, die tiefer gehen, mit der Haut verklebte Kleidungsstücke, Verkohlungen der Haut, großflächige Verbrennungen oder Verbrennungen im Gesichtsbereich gehören laut Dietze in ein Krankenhaus zur Erstversorgung. Bei größeren Verbrennungen solle die Brandwunde etwa mit einem Brandwundenverbandtuch steril abgedeckt und für den Wärmeerhalt etwa durch eine Rettungsdecke gesorgt werden. Brandwunden am Körper dürften nicht gekühlt werden, denn die Gefahr einer Auskühlung sei zu groß.