Rauchen im Auto – ein hohes Risiko für mitfahrende Kinder. Foto: dpa

Das Krebsforschungszentrum in Heidelberg nennt es „völlig unverständlich, dass die Politik zum Schutz der Kinder nicht eingreift“. Gemeint sind die Belastungen, denen Kinder durch Tabakqualm im Auto ausgesetzt sind. Jetzt tut sich was.

Stuttgart - Passivrauchen schadet Kindern. Das gehört längst zum Allgemeinwissen. Bei einer Umfrage 2015 im Auftrag der Bundesdrogenschutzbeauftragten Marianne Mortler, gaben 89 Prozent der mehr als 2000 Befragten an, sie würden die gesundheitlichen Risiken kennen, denen Kinder durch rauchende Erwachsene im Auto ausgesetzt sind. Bei den über 55-Jährigen waren es sogar 96 Prozent.

„Durch den sehr kleinen Innenraum gleicht die Situation im Auto ganz schnell der einer extrem verrauchten Kneipe“, sagt Dr. Ute Mons vom Deutsche Krebsforschungszentrum (Dkfz) in Heidelberg. Dieses Problembewusstsein ist auch bei den Rauchern vorhanden. Nach einer Studie der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf aus dem vergangenen Jahr sprechen sich 67 Prozent der Raucher für ein Verbot in Autos aus. Die Krebsforscher folgern daraus: „Sogar die Raucher scheinen da schon weiter zu sein als die Politik.“

Sozialminister Lucha unterstützt ein Verbot

Dort war das Thema bisher nicht mehrheitsfähig. „Aus Furcht vor einer neuen Verbotsdiskussion hat sich bisher keine Partei dazu positioniert“, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Das könnte sich nach dem in Österreich verfügten Rauchverbot jetzt ändern. Am Wochenende starteten mehrere Bundestagsabgeordnete von Union und SPD eine fraktionsübergreifende Initiative. „Viele Leute brauchen offenbar ordnungspolitische Vorgaben, damit sie ihre eigenen Kinder schützen“, sagte der SPD-Abgeordnete Lothar Binding in der „Saarbrücker Zeitung“. Der CDU-Abgeordnete Rudolf Henke sagte, zwar verzichteten die meisten Raucher auf die Zigarette im Auto, manche gefährdeten jedoch das Kindeswohl: „Dann hat der Schutz der Gesundheit für mich einen höheren Stellenwert als die Freiheit zur Ignoranz.“ In diese Richtung argumentieren auch Baden-Württembergs Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) und der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Stefan Teufel.

Ein klares Votum kam auch vom Auto Club Europa (ACE). Sprecherin Anja Smetanin sagte unserer Zeitung: „Die Gesundheitsrisiken sind so eindeutig, dass der Schutz der Kinder das Verbot erfordert.“ Nicht gelten lassen will Smetanin den Einwand, dass ein solches Verbot nur schwer durchsetzbar wäre: „Man muss den Mut dazu haben, dann kann man auch neue Regeln etablieren. Das war bei der Anschnallpflicht nicht anders oder beim Rauchverbot in Lokalen.“ Eine harte Linie würde sie auch bei den Bußgeldern fahren: „Damit das wirkt, muss es richtig weh tun. Eine abschreckende Wirkung beginnt wahrscheinlich im dreistelligen Bereich.“

Deutlich zurückhaltender reagiert der Allgemeine Deutsche Auto-Mobilclub (ADAC): Erwachsene sollten im Beisein von Kindern im Auto nicht rauchen. Das sei völlig klar, sagte Sprecher Johannes Boos auf Anfrage. Ein Verbot sieht der ADAC allerdings kritisch: „Der Appell an den gesunden Menschenverstand sollte ausreichen.“

Die Drogenbeauftragte setzt auf einen Ausbau der Prävention

Rauchen im Auto im Beisein von Kindern muss ein Tabu sein“, sagte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU) unserer Zeitung. Sie verwies auf die 2016 gestartete Aufklärungskampagne „rauchfrei unterwegs“. Da das Rauchverhalten auch ein soziales Thema sei, übersetzte man die Materialien der Kampagne jetzt ins Türkische, Arabische, Russische und ins Englische: „Im Moment bin ich optimistisch, dass wir damit einen guten Schritt vorankommen“, sagte Mortler.

Aufklärung steht auch im Fokus des Deutschen Kinderschutzbunds. Hauptgeschäftsführerin Cordula Lasner-Tietze sagte auf Anfrage: Nachhaltiger als Verbote sei die Prävention. Es gebe ein großes Netz von Angeboten: „Und die Eltern nutzen das auch.“ Für den Präsidenten des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Dr. Thomas Fischbach, reicht Aufklärung alleine nicht. Er kündigte ein Gespräch mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) an: „Kein Mensch hat ein Recht dazu, Kindern Schaden zuzufügen. Ein Rauchverbot muss kommen.“

Außer in Österreich ist das Rauchen im Auto mit Minderjährigen in Europa auch in Frankreich, Großbritannien, Italien und Griechenland verboten. Dort sind die Strafen besonders hoch: Bis zu 1500 Euro sieht der griechische Bußgeldkatalog vor.