Innenminister Reinhold Gall sieht sich wegen des Verfahrens bei der Besetzung von Polizei-Führungsposten heftiger Kritik von Seiten der Opposition ausgesetzt. Foto: dpa

Bei der Diskussion um die Neubesetzung der Polizei-Führungsstellen geht es im Landtag hoch her. Innenminister Gall steht in der Kritik der Opposition, die Rede ist von einem "abgekarteten" Verfahren. SPD und Grüne halten dagegen.

Bei der Diskussion um die Neubesetzung der Polizei-Führungsstellen geht es im Landtag hoch her. Innenminister Gall steht in der Kritik der Opposition, die Rede ist von einem "abgekarteten" Verfahren. SPD und Grüne halten dagegen.

Stuttgart  - Innenminister Reinhold Gall (SPD) hat den Vorwurf der Mauschelei bei der Besetzung von Polizei-Führungsstellen strikt zurückgewiesen. Nach massiven Attacken der Opposition bestätigte Gall am Donnerstag im Landtag zwar die Existenz einer brisanten Mail des Polizei-Inspekteurs zu Besetzungsfragen. Diese legt nahe, dass das Kriterium Einsatzerfahrung bei der neuen Ausschreibung bewusst keine Rolle spielen sollte, um bestimmte Bewerber nicht von vornherein auszuschließen. Der SPD-Politiker bestritt jedoch, dass die Ausschreibung auf Wunschkandidaten zugeschnitten werden sollte. Die Opposition blieb bei ihren Vorwürfen und sagte einen erneuten Rechtsstreit voraus.

Grund der Debatte ist das zweite Bewerbungsverfahren für die Präsidenten- und Vizepräsidentenposten in den neuen Polizeipräsidien, nachdem das Verwaltungsgericht Karlsruhe im Januar das erste Auswahlverfahren gekippt hatte.

FDP-Justizexperte Ulrich Goll sprach von einem „abgekarteten“ Verfahren, bei dem das Gleiche herauskommen solle wie bei der ersten Bewerbungsrunde. „Jetzt steht ein Verfahren im Raum, was umgeben ist vom beißenden Geruch der Rechtswidrigkeit.“ Auch CDU-Innenexperte Thomas Blenke erklärte, die Ausschreibungen seien so formuliert, dass für die Bewerbung exakt der frühere Personenkreis infrage komme.

Gall: Falsche Tatsachenbehauptungen

Gall sowie Politiker von Grünen und SPD beschuldigten die Opposition, mit falschen Tatsachenbehauptungen politisch Land gewinnen zu wollen. Damit gefährdeten sie auch das gerade laufende Bewerbungsverfahren. „Ihre Ausführungen sind doch ein Einladung an alle, sich gegen das Verfahren zu wehren“, sagte Grünen-Innenexperte Uli Sckerl mit Blick auf mögliche Klagen von unterlegenen Bewerbern. SPD-Innenexperte Nikolaos Sakellariou zürnte an die Adresse der Opposition: „Was ich heute hier gehört habe, ist an Heuchelei nicht zu überbieten.“ Anlass der aktuellen Debatte ist eine Mail des Inspekteurs der Polizei, Detlef Werner, auf eine Anfrage des Landespolizeipräsidenten Gerhard Klotter von Anfang Februar.

Die „Stuttgarter Zeitung“ hatte am Montag aus Werners Mail zitiert. Darin heißt es:„Über das Thema Einsatzerfahrung haben wir nicht gesprochen. Ich würde es aber weglassen. Ich habe mir zuvor die Kollegen betrachtet und überlegt, was diese in den letzten 5 bis 10 Jahren gemacht haben. Wir würden mit einer Anforderung Einsatzerfahrungen S. (Name eines Bewerbers) rauskicken.“

Unter Einsatzerfahrung fällt etwa die Leitung von Polizeieinsätzen bei Fußballspielen oder großen Demonstrationen. SPD-Innenexperte Sakellariou erklärte, auf den Punkt Einsatzerfahrung sei in der Ausschreibung bewusst verzichtet worden, um den Bewerberkreis nicht zu klein zu halten. Denn ansonsten hätten sich nur 40 Beamte des höheren Dienstes auf die 23 Stellen bewerben können. „Durch die Streichung des Merkmals (Einsatzerfahrung) erhöht sich die Zahl der potenziellen Bewerber auf 80 Personen.“

Polizeigewerkschaft: Abgelehnte Bewerber werden klagen

Bei der Polizeireform, die zum Jahresbeginn in Kraft getreten ist, wurden vier Landespolizeidirektionen mit 37 Polizeidirektionen zu zwölf Großpräsidien im Südwesten verschmolzen. Die Opposition spricht von einem „Fehlstart“, weil 23 Führungskräfte der Präsidien im Januar wieder abberufen werden mussten. Nach einer Klage des Landeschefs der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Joachim Lautensack, hatte das Verwaltungsgericht Karlsruhe das erste Auswahlverfahren als rechtswidrig bezeichnet, da das Ministerium darauf verzichtet, für alle infrage kommenden Beamten eine „Anlassbeurteilung“ zu erstellen. Daraufhin startete das Ministerium eine offizielle Ausschreibung.

Nach Einschätzung des Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, lähmen handwerkliche Fehler von Minister Gall bei der Besetzung von Spitzenposten die Polizei und verzögern die Strukturreform. „Die monatelange Hängepartie ist für die Führung einer Behörde ein untragbarer Zustand, weil wichtige Grundsatzentscheidungen liegenbleiben“, sagte Wendt der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart. Er rechnete damit, dass die Bewerber, die im zweiten Auswahlverfahren unterliegen, vor den Verwaltungsgerichten klagen werden. „Das ganze Verfahren ist von Anfang an schiefgegangen. Es ist ein bundesweites Novum, dass Führungspositionen besetzt werden ohne eine rechtsstaatliche Ausschreibung“, betonte Wendt mit Blick auf die erste Auswahl.