Stau in der Stuttgarter Innenstadt: Wie die Verhältnisse zu verbessern sind, ist im Gemeinderat weiterhin hochgradig umstritten. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die erste von vier geplanten Generaldebatten im Stuttgarter Gemeinderat über wichtige Zukunftsthemen ist absolviert: Beim Thema Mobilität der Zukunft prallten die gegensätzlichen Meinungen einmal mehr aufeinander.

Stuttgart - Ob es an der Uhrzeit (15 Uhr) lag oder an der Tatsache, dass die Debatte live im Internet übertragen wurde: Der Andrang des Publikums auf der Zuschauertribüne bei der ersten von vier geplanten Generaldebatten des Gemeinderats zu Zukunftsthemen hielt sich in Grenzen. Nicht mehr als zwei Dutzend Zuhörer verfolgten die Diskussion um die Mobilität der Zukunft.

Wirklich neue Erkenntnisse im Sinne einer von einer breiten Mehrheit der Kommunalpolitiker getragenen Strategie hat die Debatte dann auch nicht geliefert. Zwar waren sich die großen Fraktionen CDU, Grüne und SPD weitgehend einig, dass die VVS-Tarifreform mit der Zusammenlegung zweier Zonen ein attraktives Angebot für Autofahrer zum Umstieg auf den Nahverkehr schaffe. Auch der Ausbau des Radwegenetzes und bessere Möglichkeiten für Fußgänger, sich in der Stadt ungehindert zu bewegen, waren weitgehend Konsens. Doch beim Punkt Zukunft des Automobils prallten die Gegensätze erneut aufeinander.

CDU bricht eine Lanze für den weiteren Straßenausbau

OB Fritz Kuhn (Grüne) betonte zwar eingangs, Stuttgarts Wohlstand hänge in hohem Maß an der Autoindustrie. Deren bisherige Leittechnik, der Verbrennungsmotor, habe aber seine Zukunft hinter sich. Es müsse darum gehen, rasch zukunftsfähige Antriebsformen zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Er sei kein Freund von Fahrverboten, aber: „Wer jetzt die Hände in den Schoß legt, der bekommt sie.“

CDU-Fraktionschef Alexander Kotz widersprach: Die Staus würden zeigen, dass Stuttgart längst keine autogerechte Stadt mehr sei. Zwar gebe es einen Nachholbedarf bei Radwegen und ÖPNV, aber man dürfe nicht darauf verzichten, Schwachstellen im Straßennetz zu beseitigen. Als Beispiele nannte er den von der Union seit Jahren geforderten Bau der Filderauffahrt vom Neckartal zur B 27. Zudem sinke die Stickoxidbelastung durch Autos „mit steigender Dynamik“. Wer glaube, man könnte mit Fahrverboten in zwei Jahren bis zu 81 Prozent der Diesel-Kfz aus dem Verkehr ziehen, sei daher weltfremd.

Nach gut drei Stunden platzt OB Kuhn der Kragen

Andere gingen noch weiter und forderten die Aussetzung der Grenzwerte, bis sie eingehalten werden können, wie der Neustadtrat und Daimler-Ingenieur Walter Schupeck (Liberal-Konservative Reformer). Oder die Entschärfung der Grenzwerte und Verlegung der Messstellen wie Ex-AfD-Stadtrat Heinrich Fiechtner. Eberhard Brett (AfD) beharrte darauf, dass bei den Plänen für die Mobilität in der Autostadt der motorisierte Individualverkehr Priorität haben müsse.

Nach drei Stunden und 15 Minuten platzte OB Kuhn der Kragen. Die Grenzwerte seien herrschendes Recht, erinnerte er, „wollen wir im Gemeinderat jetzt auch noch die Herrschaft des Rechts aushebeln?“

Martin Körner (SPD) entwarf die Vision einer „Fünf-Minuten-Stadt“, in der die Einwohner den Weg zum Laden, zur Kita oder zum Pflegeheim spätestens nach fünf Minuten absolviert haben. Dazu brauche man einen massiven Ausbau des Nahverkehrs. Körner hält „perspektivisch ein verpflichtendes Jobticket“ für nötig, warnte aber davor, dem Verbrennungsmotor nur noch bis längstens 2030 eine Laufzeit einzuräumen.

SÖS/Linke-plus wollen nicht auf die Kräfte des Marktes vertrauen

Hannes Rockenbauch (SÖS/Linke-plus) will anders als Körner oder gar Schupeck nicht den Kräften des Marktes vertrauen: „Der Markt ist ja gerade das Problem.“ Dem OB warf er vor, in Sonntagsreden 20 Prozent weniger Autos im Zentrum zu fordern, aber bei konkreten Planungen der Verwaltung lasse er das nicht konsequent verfolgen.

Björn Peterhoff (Grüne) warb für den Grünen-Vorschlag eines 365-Euro-Jahrestickets für den ÖPNV. Man brauche die Verkehrswende, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Bernd Klingler (BZS 23), Rose von Stein (Freie Wähler) und die FDP sprachen sich gegen jede Einschränkung der freien Wahl des Verkehrsmittels aus. Matthias Oechsner (FDP): „Man kann den Autoverkehr durch Verbote oder Angebote reduzieren. Wir setzten auf Angebote.“