SPD-Chefin Andrea Nahles: Bin weder „sauer“ noch „genervt“ Foto: dpa

SPD-Chefin Nahles will die Wogen um Juso-Chef glätten. Kühnert habe mit seinen Aussagen zum Sozialismus falsche Antworten gegeben, aber die richtigen Fragen etwa zum Thema Wohnen gestellt. Die Parteivorsitzende fordert einen Mietenstopp.

Berlin - Ablehnend, aber milde hat Andrea Nahles auf die Äußerungen des Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert zum Sozialismus reagiert. „Man kann richtige Fragen stellen und trotzdem falsche Antworten geben“, bescheinigte die SPD-Partei- und -Fraktionsvorsitzende dem 29-Jährigen am Freitag. Dass aber „der Vorsitzende der Jungsozialisten jung und sozialistisch argumentiert, ist wirklich nicht als aufregend empfunden worden“, berichtete sie von ihren zweitägigen Beratungen mit den SPD-Fraktionschefs aus den Ländern in Leipzig. Nahles war offensichtlich darum bemüht, die heftige Debatte über Kühnert nicht noch weiter zu befeuern.

Das SPD-Nachwuchstalent hatte in einem Interview zum Thema Sozialismus gesagt, dass es im „Optimalfall“ keine privaten Vermietungen geben solle. Auch die Kollektivierung von Unternehmen auf „demokratischem Wege“ schloss Kühnert am Beispiel des Automobilherstellers BMW nicht aus. Damit brachte der Juso-Chef nicht nur Vertreter anderer Parteien auf die Barrikaden, auch einige SPD-Genossen attackierten Kühnert scharf.

Der zeigte sich davon unbeeindruckt. „Ich habe das sehr ernst gemeint, was ich formuliert habe“, legte Kühnert am Freitag nach. Nachdem Nahles sich zunächst nicht geäußert hatte, versuchte die frühere Juso-Chefin nun, die Wogen zu glätten. „Ich finde die Antworten, die er gibt, falsch. Das sind auch nicht die Positionen der SPD“, stellte die Parteivorsitzende klar. Richtig sei aber die von Kühnert gestellte Frage, „wie gerechte Verteilung von Reichtum organisiert werden kann“.

Die SPD will eine „Atempause“ für Mieter

Damit werde sich die SPD weiter beschäftigen, versprach Nahles und nannte als Beispiel das Thema Wohnen. Die SPD-Fraktionsvorsitzenden beschlossen in Leipzig eine Erklärung, in der sie sich für einen zeitlich befristeten Mietenstopp für Gegenden mit einem angespannten Wohnungsmarkt aussprechen. Um den Mietern eine „Atempause“ zu verschaffen, soll der Stopp fünf Jahre lang gelten und Mietsteigerungen nur zum Inflationsausgleich erlauben, erläuterte Nahles.

Nahles sieht in Kühnerts Interview eine „eher utopische Einlassung“

Ähnliche Forderungen werden auch von den Linken und Grünen erhoben. Während die Linkspartei sich für ein generelles Mietmoratorium einsetzt, schlagen die Grünen regionale Mietobergrenzen vor. In Gebieten mit Wohnungsnot solle die Miete höchstens um drei Prozent im Jahr steigen dürfen, nicht aber über die ortsübliche Miete hinaus, heißt es in einem Beschluss der Grünen-Bundestagsfraktion vom Freitag.

Nachdem Kühnert mit seinem Interview ein möglicherweise auch für ihn unerwartet lautes Echo ausgelöst hatte, war auch über die Auswirkungen der Debatte etwa für den Europawahlkampf der SPD spekuliert worden. Nahles betonte, sie habe die Äußerungen des Juso-Chefs nicht als Beitrag zum Wahlkampf verstanden, sondern als „Grundsatzbeitrag“ und „eher utopische Einlassung“. Insofern sei sie auch weder „sauer“ noch „genervt“. Die Europawahl findet am 26. Mai statt.

BMW-Betriebsratschef: SPD nicht mehr wählbar

Der BMW-Betriebsratschef Manfred Schoch wies Kühnerts Forderungen als „unbegreiflich“ zurück. „Für Arbeiter deutscher Unternehmen ist diese SPD nicht mehr wählbar“, sagte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende. Der Konzern biete sichere und gut bezahlte Jobs bei fortschrittlichen Arbeitsbedingungen. „Herr Kühnert soll mal bitte erklären, was bei uns besser laufen würde, wenn BMW verstaatlicht wäre.“