Inspiriert von der Begeisterung um die Hamburger Elbphilharmonie will die SPD in Stuttgart den großen Wurf wagen: den Bau einer citynahen Konzerthalle, die zunächst als Interimsquartier für Oper und Ballett genutzt und dann als Spielstätte für Orchester dienen könnte.
Stuttgart - Ein bisschen segeln wir in Stuttgart gerade im Wind der Euphorie um die Hamburger Elbphilharmonie.“ Diese Feststellung des geschäftsführenden Intendanten der Württembergischen Staatstheater, Marc-Oliver Hendriks, beschrieb durchaus zutreffend die Stimmungslage bei der von der Rats-SPD veranstalteten Podiumsdiskussion unter dem Motto „Oper und mehr?“ am Dienstagabend. Die Begeisterung über das neue Wahrzeichen der Hansestadt überdeckt längst die Kritik an der Kostenexplosion um das Zehnfache der ursprünglichen Kalkulation. Und so ist es kein Wunder, dass zumindest bei vielen Zuhörern im voll besetzten Glastrakt des Württembergischen Kunstvereins die Sehnsucht nach einer Art Nesenbachphilharmonie im Stadtzentrum nicht nur bei der Begrüßung durch SPD-Fraktionschef Martin Körner, sondern auch in den Wortbeiträgen durchaus mitschwang.
Auch manche Diskutanten auf dem Podium ließen eindeutige Präferenzen erkennen: Der ehemalige Landesfinanzminister Nils Schmid, heute kulturpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, sprach sich dafür aus, die Sanierung und Erweiterung der Staatsoper und die dadurch bedingte Suche nach einem Übergangsquartier für Oper und Ballett als Chance für den Bau einer dauerhaft nutzbaren Konzerthalle in unmittelbarer Nähe des Großen Hauses zu nutzen. Schmid machte sich dafür stark, dabei auch den heutigen Standort des Königin-Katharina-Stifts in die Debatte einzubeziehen: „Wir sollten den Mut haben, das wenigstens zu untersuchen.“ Zugleich machte er klar, dass das Land beim Bau eines Konzerthauses finanziell nicht in der Pflicht sei: „Das liegt außerhalb der Trägerschaft für die Oper.“
Sanierung und neue Verkehrssituation Hand in Hand
Intendant Hendriks, der zuvor die hinlänglich bekannten Nöte der Operim Hinblick auf das Raumangebot und die veraltete Bühnentechnik aus den 1980er Jahren anschaulich erläutert hatte, vermied eine klare Festlegung auf einen Wunschstandort für eine Interimsoper. Gleichwohl sei es wünschenswert, das Maß an kulturellen Einrichtungen entlang der sogenannten Kulturmeile noch zu verstärken und vor allem die Trennung durch die Konrad-Adenauer-Straße (B 14) endlich zu überwinden. Darin war er sich sowohl mit Schmid („Die Opernsanierung muss mit einer verkehrlichen Veränderung einhergehen“) als auch mit dem Stuttgarter Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) einig. Auch Pätzold plädierte für eine Wiedergewinnung des öffentlichen Raums und für eine Steigerung der Attraktivität der Kulturmeile im Zuge der Opernsanierung, etwa durch gastronomische Angebote. Zugleich machte er aber unmissverständlich klar, dass das denkmalgeschützte Königin-Katharina-Stift als Schulstandort nicht zur Disposition stehe. „Dort haben Eduard Mörike und Gustav Schwab gelehrt“, unterstrich Pätzold die kulturhistorische Bedeutung des Gymnasiums. Die Schule, die im kommenden Jahr ihr 200-jähriges Bestehen feiert und damit fast doppelt so alt ist wie das neoklassizistische Opernhaus, war erst vor fünf Jahren mit hohem Aufwand generalsaniert und wegen der Bauarbeiten für Stuttgart 21 mit Schallschutzfenstern ausgerüstet worden. Pätzold liegt damit auf einer Linie mit Schulbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP), die gegenüber dieser Zeitung erklärt hatte: „Das war, ist und wird der Standort des Königin-Katharina-Stifts bleiben.“
Pätzold: Keine Konzerthalle im Oberen Schlossgarten
Der Baubürgermeister sprach sich zudem eindeutig gegen eine Konzerthalle im Oberen Schlossgarten aus: „Es kann nicht sein, dass wir den Park zubauen.“ Man müsse auch stadtklimatologische Aspekte berücksichtigen. Pätzolds Mahnung wollten die Altvorderen der SPD nicht einfach hinnehmen: „Man muss sich auch mal über Sachzwänge hinwegsetzen, wenn man einen großen Wurf will“, meldete sich Ex-SPD-Stadtrat Jürgen Guggenberger zu Wort. Und auch zwei ehemalige SPD-Fraktionschefs, in deren Amtszeit sich die Partei schon eindeutig für den Bau des S-21-Tiefbahnhofs im Mittleren Schlossgarten positioniert hatte, machten in der Diskussion klar, dass für sie die innerstädtischen Grünflächen im Oberen Schlossgarten als Standort für einen Konzertsaal nicht ausgeschlossen werden dürften.
Während Rainer Kußmaul den Akademiegarten als Standort für eine Philharmonie ins Spiel brachte, forderte Manfred Kanzleiter Pätzold auf, von Tabus abzuweichen. Zwar stehe das Königin-Katharina-Stift unter Denkmalschutz, „aber nicht die Schüler“. Der Bau eigne sich als Verwaltungsgebäude für die Oper, die Philharmonie könne westlich davon auf dem Parkplatz entstehen. Auch für Parteifreund Nils Schmid wäre der Akademiegarten nicht sakrosankt: „Aus Landessicht wäre das kein Problem.“