Der Stoff, den viele wollen: Impfvordrängler könnten bald teuer bezahlen. Foto: dpa/Robert Michael

Immer mehr Verstöße gegen die Impfreihenfolge werden bekannt. Das könnte bald teuer werden. Die Koalition diskutiert über Bußgelder in Höhe von bis zu 25 000 Euro

Berlin - Nach zahlreichen Verstößen gegen die Impfreihenfolge könnte schon in der kommenden Woche eine Bußgeldregelung mit Strafen bis zu 25 000 Euro in den Bundestag eingebracht werden. Entsprechende Vorschläge werden derzeit nach Informationen unserer Zeitung in der Koalition debattiert. Eine Verschärfung des Strafrechts ist von keiner Seite angedacht.

„Es ist eine Sauerei, wenn sich Personen auf Kosten von Menschen, für die der Impfstoff unter Umständen lebenswichtig sein kann, vordrängeln.“, sagte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, unserer Zeitung. Dabei gehe es nicht um den Fall einer abendlichen Verwertung von sonst nicht mehr brauchbaren Restmengen, sondern um die systematische Bevorzugung und Begünstigung beispielsweise von Bekannten. „Da brauchen wir mindestens eine Bußgeldregelung“, sagte Fechner. Dabei hält er eine Höchstgrenze von 25 000 Euro für angebracht. Die Fraktion berate derzeit entsprechende Schritte.

Ministerin zögerlich

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hielt sich dagegen mit öffentlichen Äußerungen zu einer neuen Bußgeldregelung zurück. Sie verwies auf die Möglichkeiten des geltenden Strafrechts. Die Impfreihenfolge sei wichtig, um Menschenleben zu retten, solange der Impfstoff ein knappes Gut sei, sagte Lambrecht unserer Zeitung. „Wenn sich hier jemand vordrängelt, ist das absolut inakzeptabel, denn dieser Impfstoff fehlt an anderer Stelle.“ Sie hoffe auf eine abschreckende Wirkung der Berichterstattung über solche Fälle. „Wenn der Verdacht besteht, dass dabei auch Strafrechtsnormen verletzt wurden, ist das ein Fall für die zuständigen Staatsanwaltschaften.“

Auch der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Thorsten Frei, nannte entsprechende Fälle „unsäglich und inakzeptabel“. Wenn es um Amtsträger wie Landräte, Oberbürgermeister oder Geistliche gehe, die ihre Stellung missbrauchten, so sei er klar der Meinung, dass scharfe strafrechtliche Sanktionen greifen müssten, sagte Frei unserer Zeitung. „Das sind doch eigentlich allesamt Menschen, die aufgrund ihres Amtes menschlich und moralisch in der Lage sein müssten, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden.“

Skepsis bei der Union

Skeptisch zeigte sich Frei allerdings gegenüber der Schaffung neuer Straftatbestände. „Man muss vorsichtig sein, was man im Strafrecht neu regelt“, sagte er. Er sehe derzeit eher keinen Regelungsbedarf. Es handele sich nach allen Prognosen nur noch um einen absehbaren Zeitraum, bis ausreichend Impfstoff zur Verfügung stehe, so Frei. In krassen Fällen gebe es schon jetzt strafrechtliche Möglichkeiten. So ließe sich an die veruntreuende Unterschlagung denken.

Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht derzeit der Fall des Oberbürgermeisters von Halle in Sachsen-Anhalt, Bernd Wiegand. Er war, gemeinsam mit mehreren Stadträten, im Januar vorzeitig geimpft worden. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der veruntreuenden Unterschlagung. Juristisch gesehen ist der Fall in der Pandemie Neuland. Würde ein Gericht den Oberbürgermeister wegen des Tatbestands verurteilen, drohen ihm bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe. In der Impfstoffverordnung sind keine Bußgelder vorgesehen, einen eigenen Straftatbestand gibt es nicht.

Bis zu fünf Jahre Haft

Hinter dem Tatvorwurf steht folgende Annahme: Der Bund als Eigentümer des Impfstoffs beauftragt die Gesundheitsämter mit der Impfung nach der Impfstoffverordnung. Hätte der Bürgermeister also irgendwann die Anweisung erteilt, andere Personen zu impfen als die vorgesehene Impfgruppe, wäre dies eine veruntreuende Unterschlagung des Bundeseigentums. Es bestehe der Anfangsverdacht, dass der Oberbürgermeister selbst mit Anweisungen dafür gesorgt habe, dass er und andere Personen geimpft würden, sagte die Leitende Oberstaatsanwältin von Halle, Heike Geyer, unserer Zeitung. Der Oberbürgermeister hat die Vorwürfe gegen ihn als unverhältnismäßig zurückgewiesen.

Auch andernorts hatten in mindestens neun Bundesländern vorgezogene Impfungen für Kommunalpolitiker oder in einem Fall einen Geistlichen für Debatten gesorgt. Vergangene Woche hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) daher angekündigt, entsprechende Sanktionen zu prüfen.