Will erst gar nicht zur Gauck-Nachfolge gefragt werden: Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Foto: dpa

Der Grünen-Übervater will sich nicht an Spekulationen beteiligen – auch weil sich dann die Nachfolgefrage im Land stellte.

Stuttgart - Dass Winfried Kretschmann wortkarg ist, erleben Journalisten nicht selten. Er kann ein Schweiger sein, wenn ihm ein Thema nicht gefällt. Am Dienstag trieb er die Einsilbigkeit dann aber doch auf die Spitze: „Meine Empfehlung ist, keine Fragen zu stellen“, riet der Regierungschef der verdutzten Medienrunde. Das war natürlich nicht generell gemeint, sondern mit Blick auf die nächste Bundespräsidentenwahl, für die Kretschmann als einer der möglichen Kandidaten gilt.

Eine „Debatte zur Unzeit“ sei das, sagte der Grüne, er werde sich nicht daran beteiligen. Das gebiete schon der Respekt vor dem Amt, für das Joachim Gauck ja noch bis Februar gewählt sei. Und weil die Medien partout keine Ruhe geben wollten, hielt Kretschmann ihnen eine philosophische Standpauke: Ich zerbreche mir immer wieder den Kopf darüber, warum diese Gesellschaft nicht mehr warten kann.“ Warten sei doch eine Tugend, man könne doch nicht immer „schnelle Triebbefriedigung“ haben.

Von Kretschmann selbst ist also zur Frage, wer Gauck nachfolgen könnte, aktuell kein Sterbenswörtchen zu hören. Doch allein die Tatsache, dass er sich selbst nicht definitiv aus dem Spiel nimmt – was er mit einem eindeutigen Bekenntnis für das Land leicht erreichen könnte –, regt die Fantasie von Beobachtern an. Und das kann Kretschmann auch wieder nicht recht sein. Denn damit steht im Handumdrehen die Frage im Raum, was denn die Folgen wären für den Fall, dass der grüne Übervater nicht mehr in Stuttgart regierte. Wer würde die Leerstelle füllen?

Kretschmann macht nicht den Hauch einer Andeutung

Dabei wird schnell klar, dass bisher kein Aspirant auf den Chefsessel sichtbar ist. Während sich in Bayern Finanzminister Markus Söder und Wirtschaftsministerin Ilse Aigner kaum Mühe geben, ihr Interesse an einer Seehofer-Nachfolge zu verbergen, zeigen sich die hiesigen Grünen in dieser Hinsicht keusch. Gleichwohl haben sie Kretschmanns Rede beim jüngsten Parteitag in Leinfelden, als man den Koalitionsvertrag mit der CDU absegnete, einer sorgfältigen Textexegese unterzogen. Wen lobt er besonders? Edith Sitzmann zum Beispiel, die frühere Fraktionschefin und jetzige Finanzministerin, wurde von ihm üppig mit Komplimenten bedacht. Man weiß, dass Kretschmann ihre Gabe zum Moderieren schätzt. Aber auch die Qualitäten von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer und Verkehrsminister Winfried Hermann hob der 68-Jährige hervor, jene von Umweltminister Franz Untersteller ohnehin. Und als auch die beiden Landesvorsitzenden Thekla Walker und Oliver Hildenbrand reichlich Seelenbalsam abbekamen, war die schöne Sterndeutung schon wieder dahin.

Dabei würde die Grünen-Basis, sollte Kretschmann tatsächlich vorzeitig aufhören, bei der Nachfolge wohl mehr als ein Wörtchen mitreden wollen. Eine reine Hinterzimmerveranstaltung, wie dies zuletzt beim Übergang von Günther Oettinger zu Stefan Mappus (beide CDU) der Fall war, wäre mit ihnen nicht zu machen. Kretschmann selbst macht dazu – klugerweise – bisher nicht den Hauch einer Andeutung. Auf Fragen, wie lange er zu amtieren gedenkt, antwortet er sinngemäß: Fünf Jahre, wenn die Gesundheit mitmacht. Und doch ist jedem bewusst, der die Mechanismen kennt, dass die Partei zeitig vor der nächsten Landtagswahl eine Antwort braucht.

Für Kretschmann sind das alles Gedankenspiele „zur Unzeit“. Auch deshalb können ihm die Spekulationen zur Gauck-Nachfolge nicht gelegen kommen – bei allem Honig, den er daraus für sein Ego saugen mag. Sein Koalitionspartner, CDU-Chef Thomas Strobl, hat wohl Recht, wenn er sagt: „Mein Eindruck ist, dass er ganz gern Ministerpräsident ist.“