Viele Straßen sollen künftig ausgebaut werden. Foto: dpa-Zentralbild

Im Bundestag fallen nun die Entscheidungen für den Bau neuer Straßen, Bahnstrecken und Wasserwege bis 2030. Kritiker rügen, eine echte Wende für mehr Klimaschutz gebe es nicht.

Berlin - Die Kritik am Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) hält an. Bei den entscheidenden Beratungen im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestags, die am Mittwoch begannen, will allein die grüne Opposition 175 Änderungsanträge beschließen lassen. Die große Koalition öffne den Geldsack vor allem für Straßenprojekte, kritisiert der Bahnexperte der Grünen, Matthias Gastel. Für die zeitnahe Verwirklichung vieler wichtiger Schienenvorhaben dagegen gebe es „nur nette Absichtserklärungen“, aber keine gesicherte Finanzierung.

Der BVWP 2030 ist das wichtigste Instrument der Verkehrspolitik, stellt die Weichen für die nächsten knapp anderthalb Jahrzehnte und umfasst rund 1000 Straßen, Schienen- und Wasserwege-Projekte für fast 270 Milliarden Euro. Im August hat das Bundeskabinett die teils heftig umstrittenen Vorschläge und die geplanten Ausbaugesetze aus dem Haus von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) beschlossen. Bis Anfang Dezember will die Koalition aus Union und SPD das Paket im Bundestag verabschieden. Für Dobrindt ist der Plan ein großer Wurf, der eine „klare Finanzierungsperspektive“ schaffe. Nunmehr soll der seit mindestens einem Jahrzehnt vernachlässigte Erhalt der Verkehrswege vor Aus- und Neubau gehen; rund 70 Prozent (BVWP 2003: 56 Prozent) der Gesamtmittel sollen in Reparaturen und Ersatzinvestitionen fließen. Zudem sollen rund 2000 Kilometer Engpässe auf Autobahnen und rund 800 Kilometer Engpässe auf Schienenstrecken beseitigt werden.

Die Grünen halten manches Straßenprojekt für unsinnig

Opposition, Umwelt- und Verkehrsverbände vermissen ein klares Konzept hin zu mehr Klima- und Umweltschutz und die bevorzugte Förderung von Schienen- und Radverkehr sowie nachhaltiger E-Mobilität. „Unsinnige Straßenprojekte sollten wir noch streichen und dringend benötigte Bahnprojekte in die Gesetze verankern“, mahnt Gastel. Dazu zählt der Experte zum Beispiel ein Netz für 740 Meter lange Güterzüge, um die Verlagerung von mehr Fracht auf die Schiene zu befördern. Jetzt entscheide sich, wie attraktiv die Bahn im Vergleich zum Straßenverkehr werde. Die Bewertungen, welche Projekte dringend sind, gehen jedoch auseinander. Auch im Bundestag haben die meisten Abgeordneten erst mal die eigenen Wahlkreise im Blick. Die Verkehrsexperten der Koalition wünschen jedenfalls ebenfalls eine Vielzahl von Änderungen am Dobrindt-Entwurf, die zusätzliche Mittel von fast 1,4 Milliarden Euro erfordern, wie aus einem internen Rundschreiben der federführenden Abgeordneten Ulrich Lange (CDU/CSU) und Kirsten Lühmann (SPD) hervorgeht, das unserer Redaktion vorliegt.

Demnach soll vor allem rund ein Dutzend Straßenprojekte in die oberste Kategorie des BVWP aufrücken, den „vordringlichen Bedarf“. Dazu gehören Ausbaumaßnahmen bei der A 5 und B 311n in Baden-Württemberg, der B 41n in Rheinland-Pfalz, der A 3 und A 5 in Hessen, der B 62 und B 508n in NRW und der B 1 und A 6 in Bayern.

Ob die Planung Wirklichkeit wird, ist zweifelhaft

Bei den Schienenwegen sieht die Koalition offenbar weniger Nachbesserungsbedarf. Lediglich die Gäubahn von Stuttgart über Singen bis zur Schweizer Grenze soll wieder vom „potenziellen“ in den vordringlichen Bedarf aufsteigen. Damit erhöhen sich die Chancen auf eine Realisierung bis 2030. Grund sei, dass die Bewertung des Projekts inzwischen abgeschlossen und mit einem Nutzen-Kosten-Verhältnis von 2,7 positiv ausgefallen sei, heißt es in dem Schreiben. Die Gäubahn steht allerdings schon Jahrzehnte auf der Ausbauliste, ohne dass das wichtige Projekt angepackt wurde. Denn bereits bei früheren BVWP fehlte selbst für Vorhaben des vordringlichen Bedarfs das Geld, nicht zuletzt wegen Kostenexplosionen bei vielen Neubaustrecken. Sogar bei den zentralen Schienenwegen wie der Rheintalbahn schleppt sich der vierspurige Ausbau so seit Jahrzehnten dahin, obwohl Nachbarländern wie der Schweiz einst eine zügige Umsetzung zugesagt wurde.

Kritiker befürchten, dass sich daran im Grundsatz auch in Zukunft wenig ändern wird. Allein im vordringlichen Bedarf stehen aktuell 26 Schienenprojekte, darunter im Südwesten der allein auf knapp 6,4 Milliarden Euro veranschlagte weitere Ausbau Karlsruhe–Basel und die Südbahn Ulm– Lindau (225 Millionen). Im Hause Dobrindt wird versichert, man habe „Investitionsmittel und Projekte so synchronisiert, dass die Projekte des vordringlichen Bedarfs im Zeitrahmen des BVWP 2030 umgesetzt werden können“.