Es gibt zu wenig Wohnungen. Hilft da eine Fehlbelegungsabgabe von Mietern, die in Sozialwohnungen wohnen, aber mehr verdienen als die Einkommensgrenze. Foto: dpa

Wer in eine Sozialwohnung einziehen kann, darf nicht mehr als ein bestimmtes Einkommen verdienen. Doch was passiert, wenn sich der Verdienst erhöht? Haus & Grund will, dass dann eine Abgabe gezahlt wird. Die Stadt ist dagegen. Doch das ist nicht der einzige Streitpunkt.

Stuttgart - Wie ist mit fehlbelegten Sozialwohnungen umzugehen – also mit Wohnraum, der für Geringverdiener reserviert ist, der aber von Menschen bewohnt wird, die mittlerweile mehr verdienen als die Einkommensgrenze für diese Wohnungen beträgt? Darüber gibt es einen massiven Disput zwischen dem Stuttgarter Haus- und Grundbesitzerverein und dem Rathaus. Haus & Grund wirft der Stadt Untätigkeit vor, die Verwaltung weist das zurück. Dabei geraten in dem fürs Wohnen zuständigen Dezernenten Michael Föll und dem Haus & Grund-Vorsitzenden Klaus Lang, einmal mehr ein amtierender und ein früherer Finanzbürgermeister aneinander, beide im übrigen mit CDU-Parteibuch.

Interview in dieser Zeitung

Auslöser der Streits ist ein Interview von Landeswirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut mit dieser Zeitung. Darin hatte die CDU-Politikerin kritisiert, dass „die Kommunen zu einem großen Teil keine verlässlichen Zahlen über die Belegung haben, obwohl sie diese überwachen müssen“. Das Ministerium werde ihnen deshalb ein IT-Verfahren anbieten, mit dem sie Sozialwohnungen erfassen und überprüfen könnten. Allerdings gehe sie davon aus, dass „die allermeisten öffentlich geförderten Wohnungen auch von Personen bewohnt werden, die Anspruch darauf haben.“

Zahl der betroffenen Wohnungen umstritten

Der Hausbesitzerverein nahm diesen Vorstoß auf. Angesichts des Mangels an Sozialwohnungen müsse die Kontrolle von preisgebundenem Wohnraum intensiviert werden. „Es ist nicht hinnehmbar, dass die Kommunen bei diesem Problem immer noch wegsehen“, sagt Lang, der auch der Stuttgarter Stadtverwaltung Untätigkeit vorwirft. „Wir haben schon vor zwei Jahren den Vorschlag gemacht, die Zahl der Fehlbeleger systematisch zu erheben, ohne dass sich etwas getan hätte“, so Lang. Gerade bei knapper werdenden Sozialwohnungen müsse darauf geachtet werden, dass „vornehmlich die wirklich Bedürftigen gefördert werden“. Nach Einschätzungen von Haus & Grund sind in Stuttgart 4000 bis 7000 Wohnungen von Fehlbelegern genutzt. „Daher muss die Stadt endlich erheben, wie viele der aktuell gerade noch 14 000 Sozialwohnungen denn überhaupt für einkommensschwächere Personenkreise zur Verfügung stehen“, fordert Lang. Zudem verlangt Haus & Grund, dass die bis 2007 gültige Fehlbelegungsabgabe von der Landesregierung wieder eingeführt wird. Grün-Schwarz in Stuttgart müsse sich ein Beispiel nehmen an Schwarz-Grün in Frankfurt: In Hessen müssen seit 2016 Mieter einer Sozialwohnung eine Abgabe bezahlen, wenn ihr Einkommen die zulässigen Grenzen um 20 Prozent übersteigt.

Rathaus widerspricht Haus & Grund

Im Rathaus rechnet man indes nicht damit, dass in Baden-Württemberg eine Fehlbelegungsabgabe eingeführt wird. „Aus unserer Sicht ist derzeit nicht erkenntlich, dass das Land entsprechende Überlegungen anstellt“, weist Föll die Forderung zurück. Auch die von Haus & Grund genannte Zahl von 4000 bis 7000 Fehlbelegern „erscheint uns deutlich zu hoch gegriffen“. Bei der Stadt würde die Belegungen der Sozialwohnungen „akribisch überwacht“. Sobald eine derartige Wohnung als frei gemeldet werde, erfolge die Belegung mit Berechtigten: beim Ein-Personen-Haushalt gilt als Grenze ein Jahresbruttoeinkommen von 21 730 Euro hat (zwei Personen: 28 885 Euro, drei Personen: 37 270 Euro, vier Personen: 45 655 Euro). Fehlbelegungen seien zwar nicht auszuschließen, wenn sich die Einkommenssituation ändere, allerdings werde durch die Abgabe die Wohnung nicht frei, sie bringe „in erster Linie Geld für die Kommune".

Ziel: Günstige Sozialstruktur

Allerdings hat Föll auch ganz grundsätzliche Bedenken gegen die Fehlbelegungsabgabe. Sie habe „dazu beigetragen“, so der Bürgermeister, „dass die Sozialstrukturen in den Quartieren mit Sozialwohnungen sich sehr ungünstig entwickelt haben“. Ziel der Stadt sei aber neben der Erhöhung des Bestands an geförderten Wohnungen, „gemischte Stadtquartiere zu etablieren“. So sieht das auch Udo Casper, Geschäftsführer des Mieterbunds Baden-Württemberg. Die Debatte wertet er eher „als Ablenkungsmanöver von dem Umstand, dass zu wenig Wohnungen gebaut werden“.