Dieser Motorradfahrer hat sich in München einen Spaß daraus gemacht, Blitzer auszulösen. Als er erwischt wurde, verging ihm das Lachen. Foto: Polizeipräsidium München/Archiv

Zu billig, zu lasch: Der Fall des Motorradrasers Mister X hat viel Unverständnis ausgelöst. Aber: Würden härtere Sanktionen tatsächlich etwas bringen? Die Führerscheinstelle im Landratsamt tut jedenfalls, was sie kann.

Ludwigsburg - Ein junger Mann rast auf seinem Motorrad durch den Landkreis. Mit knapp 100 Sachen durch Hoheneck, mit mehr als 100 auf dem Tacho durch das Tempo-30-beruhigte Pleidelsheim, fast ebenso schnell durch Bietigheim. Die Blitzer, die dabei Fotos von ihm schießen, löst er absichtlich aus. 49 Aufnahmen gibt es von dem Jugendlichen, den die Ermittler der Ludwigsburger Bußgeldstelle Mister X taufen. Auf manchen zeigt er der Kamera ein Victory-Zeichen. Vom Amtsgericht in Ludwigsburg ist der 18-Jährige vorige Woche zu einer Geldbuße von 1000 Euro verurteilt worden, außerdem muss er für drei Monate seinen Führerschein abgeben.

Das Urteil löst Empörung aus

Als das Urteil bekannt wird, ist die Empörung groß: Mister X sollte viel mehr Geld bezahlen müssen, und auch seinen Führerschein sollte er viel länger abgeben müssen, so der Tenor der Reaktionen. Eine so milde Strafe könne doch nie und nimmer abschreckend wirken.

Aber: Stimmt das? Wäre ein höheres Strafmaß eine Garantie dafür, dass Spaßraser das Rasen sein lassen?

„Wir wünschen uns schon lange, dass man klare Zeichen setzt“, sagt Hans-Jürgen Kirstein, der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei. Jemandem, der vorsätzlich dermaßen gegen Regeln verstoße, sollte man den Führerschein durchaus länger entziehen. „Das kostet Freiheit, das trifft empfindlich.“ Carsten Bamberg vom ADAC sagt: „Die Bußgelder sind drastisch zu erhöhen.“ Es könne nicht sein, dass man viel zu schnell durch eine Tempo-30-Zone rast – und dann eine lachhafte Strafe bekommt, wenn man erwischt wird.

Dass die Forderungen der Verkehrsexperten erfüllt werden, erscheint allerdings unrealistisch. Als der Verkehrsgerichtstag in Goslar, ein Treffen von Juristen und Fachleuten für Verkehrstechnik- und sicherheit, dieses Jahr dieselben Empfehlungen aussprach, erklärte das Bundesverkehrsministerium sinngemäß: man wolle Verkehrssünder in Deutschland nicht abschrecken, sondern erziehen.

Das Verfahren wirkt wie eine Lektion

Wenn man gesehen hat, wie Mister X im Ludwigsburger Amtsgericht auftrat, kann man glauben, dass diese Absicht erfüllt wurde. Blass und kleinlaut saß er auf seinem Stuhl, sprach fast kein Wort, ließ aber seinen Anwalt erklären, dass sein Verhalten „eine große Dummheit“ war und er „alles bereue“. Und wenn man hört, wie Matthias Beck von der Stadt Ludwigsburg von einem zweiten Raser berichtet, könnte sich das Verkehrsministerium bestätig fühlen.

Dieser zweite Spaßraser war von Oktober bis Dezember des vergangenen Jahres 32 Mal geblitzt worden, als er absichtlich und viel zu schnell durch Radaranlagen in Ludwigsburg gefahren war. Dieser junge Mann, erzählt Matthias Beck, sei richtiggehend geschockt gewesen, als er und eine Kollegin ihn enttarnt und zu Hause aufgesucht haben. „Viel hat nicht gefehlt und er hätte geheult“, erinnert sich Beck.

Der Prozess für diesen jungen Mann steht noch aus. Dass die Strafe für ihn viel härter ausfällt, ist nicht zu erwarten. Das maximale Fahrverbot beträgt – im Falle einer Ordnungswidrigkeit – nun mal drei Monate. Und um eine solche handelt es sich bei den Taten der Spaßraser. Zur Straftat wird das Rasen dann, wenn dabei eine konkrete Gefahr entsteht. Wenn also zum Beispiel ein Fußgänger verletzt worden wäre – oder verletzt hätte werden können.

Eine Strafe für viele Fälle

Wäre Mister X für jede einzelne ordnungswidrige Fahrt bestraft worden, hätte er den Führerschein für 15 Monate abgeben und 6730 Euro zahlen müssen. Dass die Strafe viel ausfiel, hat mit der erwähnten erzieherischen Absicht zu tun – und damit, dass es schwierig ist, gesuchte Motorradfahrer zu stellen.

31 seiner Raserfahrten landeten denn auch gar nicht vor Gericht, weil sie bereits verjährt waren, als die Ermittler den damals 17-Jährigen gefunden hatten. Von den 18 verbliebenen Fällen hat das Gericht 15 eingestellt – nachdem der junge Mann zugesagt hatte, die drei markantesten zu gestehen.

Zwar war auf allen Fotos eine Yamaha YZF-R 125 mit einer spitz zulaufenden Front zu sehen, und immer wurde sie gesteuert von einer Person auf deren Helm ein großes X prangte. Aber verbarg sich darunter wirklich der junge Mann, auf den das Motorrad zugelassen ist? Auf manchen Fotos war nichts vom Gesicht zu erkennen. Manchmal war nicht mal klar, ob es sich um einen Mann handelte. Im Zweifel hätte das Gericht aufwendig beweisen müssen, dass es sich beim gesuchten Mister X um den gefundenen Schüler handelt. Ein Aufwand, der sich nicht lohnte, da es für das Strafmaß keinen Unterschied gemacht hätte. Die theoretisch denkbaren 15 Monate hätte kein Gericht verhängen können. Wird nämlich über mehrere Ordnungswidrigkeiten gleichzeitig entschieden darf nur eine einheitliche Strafe verhängt werden. In diesem Fall: drei Monate Fahrverbot. Dies solle reichen, um als Besinnungsmaßnahme zu wirken, erklärt Ulf Hiestermann, der das Urteil in Ludwigsburg gefällt hat – und das der Verkehrsrechtler Andreas Krämer gar nicht milde findet.

Die Fahreignung wird überprüft

„Der hat seinen Denkzettel bekommen“, sagt Krämer, der Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltsvereins ist. Drei Monate könnten lang sein – und 1000 Euro für einen Schüler ohne Einnahmen „saftig“.

Wie nun bekannt wurde, ordnet das Landratsamt zudem eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) an. Dabei wird die Fahreignung des 18-Jährigen überprüft. Der Test gilt als anspruchsvoll und teuer – und als Albtraum, da vom Ergebnis der Besitz des Führerscheins abhängt. „Damit rechnet man in der Regel nicht“, sagt Andreas Krämer, der allein die Tatsache, dass es zum Prozess kam, als entscheidend wertet. „Kein Raser kann sich sicher wähnen“. Das sehen auch der Richter Hiestermann, der Polizist Kirstein und der ADAC-Experte Bamberg so.