Das Fellbacher Lokalparlament beschäftigt sich mit der vom Unternehmer Rüdiger Stihl forcierten Tunnel-Lösung für einen möglichen Nord-Ost-Ring. Die Räte sparen dabei nicht mit markigen Worten.
Mit einer klaren Positionierung über alle Fraktionen hinweg und mit teilweise auch markigen Worten hat das Fellbacher Lokalparlament der vorgeschlagenen Variante einer unterirdischen Schnellstraße auf dem Schmidener Feld eine Abfuhr erteilt. Gemeinderat und Stadtverwaltung von Fellbach mit der Oberbürgermeisterin Gabriele Zull an der Spitze reagierten damit erneut auf einen bereits vor fünf Jahren erstmals gestarteten und im vergangenen Herbst wiederbelebten Vorstoß eine Gruppe von Unternehmern rund um den Waiblinger Rüdiger Stihl, Gesellschafter der Motorsägen-Weltfirma Stihl.
Diese Gruppe wirbt für einen sogenannten Grünen Tunnel – also eine Tieferlegung des teils gewünschten, aber speziell von Fellbach und Kornwestheim auch vehement abgelehnten Stuttgarter Nord-Ost-Ring als neue Asphaltpiste zwischen dem Bereich Waiblingen/Fellbach und Ludwigsburg/Kornwestheim.
Studie wurde erstmals bereits im Jahr 2020 präsentiert
Brandneu, so die Erkenntnis der mehreren Dutzend Besucher im großen Sitzungssaal des Fellbacher Rathauses, sind die Argumente in dieser Debatte allerdings nicht – auf beiden Seiten. Denn Stihl „sowie seine beauftragten Fachleute für Landschaftsplanung, Straßenbau und Bodenschutz“ hatten, so die Anmerkung der Fellbacher Baubürgermeisterin Beatrice Soltys, ihre Machbarkeitsstudie erstmals bereits am 23. Juni 2020 in einer Sondersitzung des Gemeinderats vorgestellt.
Erfahrene Kommunalpolitiker im Remstal kennen das Thema einer Autobahn auf dem Schmidener Feld ohnehin schon seit Jahrzehnten. Zull warf zu Beginn der Sitzung das Titelblatt einer SPD-Broschüre vom Juni 1979 auf die Leinwand hinter der Bürgermeisterriege. Überschrift: „A 87: Fellbach im Würgegriff“. Als A 87 wurde seinerzeit die schon damals diskutierte und von Fellbach abgelehnte Autobahn bezeichnet.
Derzeit wirbt die Stihl-Initiative erneut in Radio-Werbespots, auf Reklametafeln an Straßenrändern in Waiblingen oder Fellbach wie auch auf den Trikots der in Waiblingen-Bittenfeld beheimateten Handballer des TVB Stuttgart für ihre Idee eines vierspurigen Tunnels drei Meter unter der Erde. Gepriesen wird der Grüne Tunnel in einem Video auf der Homepage gar als „ein Leuchtturmprojekt für Deutschland“.
Für die Fellbacher Oberbürgermeisterin ist die vorgeschlagene Tunnellösung allerdings vor allem „eine große Werbekampagne“, die „augenscheinlich von zahlreichen namhaften Firmen aus der Region unterstützt“ werde. Geworben wird nicht etwa mit Automassen, die in den voluminösen Tunnelfeinfahrten der neuen Röhren unter dem Schmidener Feld verschwinden.
Vielmehr agiere die Initiative etwa auf ihrer Homepage mit weicher Illustrierung, beispielsweise „mit dem Bild einer glücklichen Familie im Grünen“, so Zull. Komplett ausgeklammert werde, dass auch für einen Tunnel riesige Baufelder „einschneidende und große Verkehrsbauwerke“ (Soltys) erforderlich seien und dass „sehr hochwertige Böden zerstört würden“. Die Gesamttrasse würde „in die heute noch weitgehend unzerschnittenen Landschaftsräume des Schmidener Feldes im Osten und des Langen Feldes im Westen auf einer Gesamtlänge von mehr als zehn Kilometern eingreifen“. Die Kampagne sei letztlich „eine Art kommunikatives Greenwashing“ für das Straßenbauprojekt.
Ablehnungsfront gegen Nord-Ost-Ring steht
Die anschließenden Wortbeiträge der Fraktionen zeigten, dass die Ablehnungsfront gegen den Nord-Ost-Ring, und sei’s in der tiefergelegten Form als Grüner Tunnel, steht. Die Redner hatten sich hierbei so manche griffige Formulierungen ausgedacht. Die passende Überschrift zum Stihl-Vorstoß ist für CDU-Fraktionschef Franz Plappert aus Oeffingen: „Vielfacher Millionär sucht öffentliche Bestätigung!“
Im Übrigen wundert sich der CDU-Mann, dass auch die LBBW sich dafür einsetze, „eine Landesbank in einem Bundesland mit grünem Ministerpräsidenten und einem grünen Verkehrsminister“. Berücksichtigt werden müsse zudem, dass in Remseck eine neue Neckarbrücke vorgesehen sei, „Baubeginn eventuell bereits im Jahr 2030“, so Plappert.
Für Ulrich Lenk, Stadtrat der Freien Wähler/Freien Demokraten, bleibt „nach wie vor die Frage, ob ein solches Autobahnprojekt nicht aus der Zeit gefallen ist“.
Wie Margarine-Werbung aus den 1970er Jahren
Für Stephan Illing (Grüne) „erinnert die Werbung auf den Plakaten fatal an Margarine-Reklame aus den 70er Jahren“. Dass bei der Abstimmung im Internet nur ein „Ja“ möglich sei, „passt auf fatale Weise zum aktuellen Zeitgeist mit immer stärkeren autoritären Strömungen“.
SPD-Fraktionschef Andreas Möhlmann sieht in der „aufgewärmten Kampagne“ eine „groß angelegte Augenwischerei“. Denn: „Bei der Planung handelt es sich um einen echten Dinosaurier. Diese sind ausgestorben und, wie der Nord-Ost-Ring, ein Fall für die Geschichtsbücher.“
Grüner Tunnel
Initiative
Die Befürworter werben mit diesen Aussichten: „Grünes Licht für eine umweltfreundliche Streckenführung unter der Erde für mehr Lebensqualität und weniger Stau. Im Gegensatz zu einer Streckenführung an der Oberfläche verschwinden mit dem Grünen Tunnel Lärm, Abgase und Feinstaub unter der Erde.“ Landschaftsflächen würden erhalten und die umliegenden Gemeinden im Nordosten Stuttgarts deutlich vom Durchgangsverkehr befreit.
Daten
Die „wichtigsten Fakten“ zum Tunnel, so die Initiative: eine Länge von 10,7 Kilometer, Kosten von 1,6 Milliarden Euro, vier Spuren, fünf flächensparende Anschlüsse, ein positives Nutzen-Kosten-Verhältnis von 1,35.