Günstiger Wohnraum ist in Stuttgart Mangelware. Für 2033 will die Stadt ein neues Wohnbauziel formulieren. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Hat der Gemeinderat durch den Verzicht auf den Kauf von Baugebieten und die Sanktionierung von Zweckentfremdung die Mieten-Miese selbst verursacht?

Reichen 20 000 neue Wohnungen bis zum Jahr 2033 in der Landeshauptstadt, oder müssten es, wie die SPD fordert, 27 000 sein? Oder wären aus Klimaschutzgründen 7000 bezahlbare Behausungen und dazu Sanierungen ausreichend, wie es das Linksbündnis will? Die im Technikausschuss des Stuttgarter Gemeinderats diskutierte Spannweite ist erheblich. Und die gegenseitige Kritik der Fraktionen fundamental.

OB Nopper will optimistisches Zeichen

Bis 2033 solle der Baubeginn von 20 000 Wohnungen ermöglicht werden, heißt es im Beschlusspapier von OB Frank Nopper (CDU). 1000 davon könnten Modulbauten sein, rund 2000 will man aus dem „Überhang“ früherer Jahre einrechnen, sie sind genehmigt. Die Zielsetzung diene der „langfristigen Orientierung“, so der OB-Grundsatzreferent Martin Körner. Eine Zeitstufenliste will die Verwaltung nachliefern, auch Flächen für Modulbauten vorschlagen. 20 000 Einheiten seien „leistbar und bedarfsorientiert“. Der Beschluss solle ein „optimistisches Zeichen hinsichtlich der Zukunft des Wohnungsbaus setzen“, heißt es in der Vorlage. Aktuell trägt der depressive Züge. Grundstücks- und Baupreise sowie Zinskosten explodieren, Vorhaben werden zurückgestellt.

Die Grünen wollen den Beschluss vertagen, bis die Unterlagen vorliegen. Man sei mit Arrondierungen auf landwirtschaftlichen Flächen nicht einig, so Beate Schiener, und wolle alternativ im Innenbereich nachverdichten. Außerdem ist den Grünen das Ziel zu lasch. Man brauche Baufertigstellungen, nicht Baubeginne so Schiener. Die Ökofraktion will wissen, warum es in Vaihingen, Möhringen, Degerloch und Plieningen auf längst besprochenen Gebieten nicht vorangeht. Einen Hinweis gibt die Vorlage. Für 16 Potenzialflächen hatte der Rat Stellen geschaffen. „Diese sind teilweise zum dritten Mal ausgeschrieben“, heißt es.

Baut Stuttgart die falschen Wohnungen?

Die SPD will 7000 Wohnungen mehr, denn 27 000 sei der Bedarf und Stuttgart für Investoren kein unattraktiver Markt, so Stefan Conzelmann. Man wolle ambitionierte Ziele, so der SPD-Fraktionschef. Die CDU ist mit dem OB-Vorschlag einig, 27 000 Einheiten seien eine „völlige Utopie“, so Carl-Christian Vetter. Auch FDP, Freie Wähler und AfD wollen Noppers Kurs mittragen, das wäre die Mehrheit. Die Fraktion Puls wägt noch ab, Sprecher Torsten Puttenat sagte aber, man sei es „den Leuten in der Stadt schuldig, diesen Wohnraum zu bauen“.

Linke: Rat hat Grundstücke verschleudert

Der Linken-Stadtrat Luigi Pantisano nutzte die Vorberatung zur Generalabrechnung. „Sie alle, die sie hier sitzen, sind für die Wohnungsbaumisere verantwortlich“, sagte er. Der Gemeinderat habe „Grundstücke an Investoren verschleudert“, die für Kapitalanleger teuren Wohnraum schaffen und den Ankauf des IBM-Areals in Vaihingen für Wohnungsbau gescheut. Die SPD stehe für die „Betonpolitik“ von Investoren, der Gemeinderat dafür, der Zweckentfremdung von Wohnraum nicht nachzugehen. Der Vorwurf sei „absurd“, so Conzelmann.

Hannes Rockenbauch, Sprecher des Linksbündnisses, sieht die Verwaltung und andere Fraktionen auf einem Irrweg. Die SPD eröffne eine Scheindebatte. Die Mieten in Stuttgart seien nicht teuer, weil zu wenige, sondern die falschen Wohnungen gebaut würden, nämlich zu teure. Bezahlbarer Wohnraum fehle und gehe verloren, weil Sozialbindungen ausliefen. Rockenbauchs Lösung: Die Stadt darf keine Fläche mehr an Investoren geben, sie soll 7000 günstige Wohnungen bauen und im Übrigen sanieren.