Die Gleise ziehen sich wie eine Schneise durch den Bezirk. Foto: /Kathrin Wesely

Sollte die Stadtbahn durch Heslach in einen Tunnel verlegt werden? Der Bezirk will prüfen lassen, ob das überhaupt machbar wäre. Manche halten das ambitionierte Ansinnen für Wahlkampfgeklingel. Bericht von einer hitzigen Debatte im Bezirksbeirat Stuttgart-Süd.

S-Süd - Ist das noch ernsthafte Lokalpolitik, oder schon Wahlkampf? Im Bezirksbeirat Süd schlugen die Wellen hoch, als jüngst die SPD-Fraktion ihren Antrag zur Stadtbahn präsentierte: Die Stadt solle prüfen, ob die Schienentrasse ab Marienplatz bis nach Kaltental nicht unter die Erde gelegt werden könnte. Für den Stadtbezirk und besonders für die Böblinger Straße, die unter Lärm und Ladensterben ächzt, bedeutete dies eine enorme Aufwertung, weniger Lärm und Gefahr. Eile sei geboten, weil die SSB jetzt über den Umbau der Bahnsteige entlang der Tallängslinien entscheide.

Bedürfnisse der Bewohner vernachlässigt?

So will das Schienenunternehmen auf der überlasteten Linie U1 längere Züge einsetzen, die wiederum längerer Bahnsteige bedürfen. Vor Weihnachten hatte SSB-Chefplaner Volker Christiani Umbauentwürfe für die Haltestellen Schoettle-, Bihl- und Südheimerplatz im Bezirksbeirat vorgestellt. Diese Planung, hieß es nun im Antrag der SPD, berücksichtigte bloß die Belange des Schienenverkehrs. Die Bedürfnisse der Bewohner spielten darin keine Rolle, stadtplanerische Gesichtspunkte blieben außen vor. Dabei brächte sie dem Stadtbezirk erhebliche Nachteile: Die Pläne konterkarierten die Ziele im Stadterneuerungs Gebiet Kaltental – statt die Trennung der Talseiten zu überwinden, würde diese verschärft. Die Wohnqualität in der Polizeisiedlung würde sich verschlechtern.

„Wenn wir uns jetzt nicht wehren, dann werden diese Pläne umgesetzt. Wollen wir diese Entwicklung einfach geschehen lassen?“, appellierte SPD-Bezirksbeirätin Ulrike Holch ans Gremium.

Dass ihnen wegen eines Prüfantrages derart derart heftiger Gegenwind entgegenschlagen würde, damit hatten die Sozialdemokraten nicht gerechnet. Zunächst trat die FDP-Fraktion mit einem Gegenantrag auf den Plan, der mit der Kampfüberschrift versehen war: „Unterirdische Trassenführung der U-Bahn durch Stuttgart-Süd – ein Stuttgart 21 für Heslach?“ Darin argumentiert FDP-Bezirksbeirat Wolf-Dieter Wieland, dass unterirdische Stationen für ältere und bewegungseingeschränkte Personen unvorteilhaft seien. „Als Stadtseniorenrat höre ich das ständig.“ Zu bedenken sei ferner, dass man über Jahre Baustellen in Kauf nehmen müsse.

Stadtbahntunnel unzeitgemäß?

Besonders „irritiert“, so SPD-Bezirksbeirat Lukas Hauser, sei seine Fraktion von der barschen Kritik aus Reihen der Grünen. Denn deren Fraktionsvorsitzende Wolfgang Jaworek deutete den Antrag als „wohlmeinende Idee“, wenn nicht sogar als wohlfeile Anbiederung der Genossen ans Wahlvolk – formuliert im sicheren Wissen, dass eine Tunnellösung schon aufgrund enormer Kosten völlig unrealistisch sei: „Wir sollten uns nicht lächerlich machen, indem wir die Verwaltung mit solchen Prüfanträgen behelligen, wenn wir auch künftig noch ernst genommen werden wollen.“

Dieser verbale Molotow-Cocktail schien aber eher die Eintracht der Übrigen zu schüren, die sich hinter den Antrag der SPD stellten. Roland Petri von der CDU räumte zwar ein, dass das Ansinnen „kühn“ sei und, „dass die Kosten eher dagegen sprechen werden“, aber dass sollten Fachleute überprüfen. „Es ist das Los der Verwaltung, solche Prüfanträge abzuarbeiten. Das mit der Lächerlichkeit ist Quatsch!“ es sollte in der politischen Debatte weder „Denkverbote“ noch „Tabuzonen“ geben. FDP-Mann Wolf-Dieter Wieland zog seinen Antrag zurück. „Ich wollte nur, dass man die Vor- und Nachteile einer unterirdischen Trasse bedenkt“, das würde ja nun geschehen.

Hans-Dieter Meißner von den Freien Wählern fand unterirdisch „eine hervorragende Idee“. Philipp Buchholz von den Grünen gab zu bedenken, dass unterirdische U-Bahnhöfe nicht mehr zeitgemäß seien, wohingegen einige Zuhörer über Lärm, Dreck und Gefahr klagten, die von der oberirdischen Trasse ausgingen. Am Ende stimmte eine klare Mehrheit im Bezirksbeirat dem Prüfantrag zu.

Es war eine in weiten Teilen emotional geführte Debatte, und dies schien weniger dem bevorstehenden OB-Wahlkampf geschuldet als vielmehr dem Thema selbst: Es geht immerhin um die Aorta des Bezirks, und wenn im Streit darum die Wortwahl mal etwas rezenter geriet als gewöhnlich, dann ist das Lokalpolitik mit Leidenschaft.