In Nordrhein-Westfalen versucht man mit mobilen Sichtschutzwänden, dem Problem Herr zu werden Foto: dpa

Der Bundesrat debattiert am Freitag über härtere Strafen für Gaffer. Auch im Raum Stuttgart haben die Rettungskräfte mit dem Problem zu kämpfen. Ob allerdings härtere Strafen helfen würden, da gibt es Zweifel.

Stuttgart - Ein Stadtbahn-Unfall. Was ist passiert? Passanten drängen an die Unfallstelle. Solche Szenen gab es schon immer, aber heutzutage belassen es viele Schaulustige nicht mehr nur beim Gucken. Sie zücken ihr Handy, um Fotos zu machen. Für Facebook oder nur für sich selbst.

Wer mit Fotografieren beschäftigt ist, kriegt aber vielleicht gar nicht mit, wenn er Rettungskräfte behindert – oder er nimmt es für eine gute Aufnahme sogar billigend in Kauf. „Das Problem mit den Gaffern hat sich aufgrund der Tatsache, dass heutzutage jeder ein Handy hat, verschärft“, sagt ein Sprecher der Stuttgarter Berufsfeuerwehr.

Wobei die Tatsache, dass man in der Stadt sei, Vor- und Nachteile habe. „Wir haben viele Gaffer, weil wir in der Stadt sind“, so der Sprecher. „Andererseits ist auch relativ schnell viel Polizei und viel Feuerwehr da.“ Dann bildet man auch mit den Rettungsfahrzeugen eine Barriere und versucht so, Schaulustige auf Distanz zu halten. Bei ganz Neugierigen wird die Polizei dann deutlich. „Da werden die Leute schon sehr dominant angesprochen“, sagt der Sprecher der Feuerwehr. „Die deutliche Präsenz der Staatsmacht hilft dann meistens doch noch, da wird dann zurückgewichen.“

Die Polizei hat genug anderes zu tun

Ob schärfere Strafen für Gaffer, über die am Freitag im Bundesrat abgestimmt wird, etwas brächten, ist allerdings fraglich. Zwar weisen Polizisten Schaulustige schon mal scharf zurück, aber: „Personalien können die nicht aufnehmen, dafür haben sie anderes zu tun“, so der Sprecher der Stuttgarter Feuerwehr. Auf dem flachen Land, so ergänzt er, sei das Problem zum Teil noch größer. Dort seien die Rettungskräfte in der Regel länger unterwegs – und am Einsatzort werde jede Hand gebraucht, da könne man niemanden für das Zurückhalten von Gaffern abstellen.

Die Gesetzesinitiative Niedersachsens, der im Bundesrat auch Baden-Württemberg zustimmen will, sieht schärfere Strafen für das Behindern von Rettungskräften vor. Zudem sollen das Fotografieren von toten Unfallopfern und die Verbreitung dieser Bilder künftig unter Strafe gestellt werden. Bisher umfasst der strafrechtliche Schutz gegen solches Verhalten nur lebende Personen.

Sollte die Länderkammer dem Vorstoß zustimmen, muss der Bundestag entscheiden, ob er die Forderung umsetzt. Dann könnten die Verschärfungen in Kraft treten, doch die Frage ist: Wer kontrolliert es?

Mehr Respektlosigkeit

Die Polizei sagt, sie habe für so etwas eigentlich keine Zeit. So kann man beim Polizeipräsidium Ludwigsburg, dessen Beamte für alle Unfälle auf den Autobahnen im Raum Stuttgart zuständig sind, gar nicht sehr viel zum Phänomen des Gaffens sagen. „Die Kollegen verfügen in dem Bereich über keine Erfahrungen“, sagt eine Sprecherin des Präsidiums. „Die Kollegen sagen: Wenn wir zu einem Unfall kommen, kriegen wir das zwar mit, sind aber voll mit der Unfallaufnahme beschäftigt, dass wir uns darum nicht kümmern können.“

Einig sind sich die verschiedenen Rettungskräfte darin, dass sich das Problem verschärft hat. Es gab auch schon im Raum Stuttgart Fälle, wo die Polizei eine schaulustige Menge massiv zurückdrängen musste, damit ein Rettungshubschrauber landen konnte.

Um die Unfallopfer vor neugieren Blicken zu schützen – vor allem aber, um in Ruhe arbeiten zu können –, verwendet das Deutsche Rote Kreuz (DRK) nach Angaben seines Landessprechers im Notfall normale Decken. Mobile Sichtschutzwände, wie sie in Nordrhein-Westfalen angeschafft werden sollen, hat man im Südwesten nicht. Zum Glück sei es noch nie vorgekommen, dass Gaffer so dreist waren, ihr Handy über den Sichtschutz zu heben und zu knipsen, sagt ein DRK-Sprecher. Grundsätzlich habe die Respektlosigkeit gegenüber Rettungskräften aber zugenommen.