Die Bundesvorsitzende der Grünen – Ricarda Lang – mit CDU-Chef Friedrich Merz Foto: Maischberger/ARD

In der Talksendung „Maischberger“ haben die Grünen-Chefin Ricarda Lang und CDU-Chef Friedrich Merz über Besuche in der Ukraine diskutiert, über erneuerbare Energien – und darüber, wie sich die Grünen in der Regierung machen.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ist in die Ukraine gereist – und in der ARD-Talk-Sendung „Maischberger“ sorgt eine Aussage von ihr für Diskussion. Deutschland wolle künftig komplett ohne Energie des „Aggressors“ Russland auskommen, hatte Baerbock in Kiew erklärt. „Deshalb reduzieren wir mit aller Konsequenz unsere Abhängigkeit von russischer Energie auf Null – und zwar für immer.“

Auf Gas als Rohstoff komplett zu verzichten, sagte CDU-Chef Friedrich Merz in der Sendung am Mittwochabend, „werden wir als Volkswirtschaft hoffentlich nie tun“ – denn dann würde man große Teile der Industrie verlieren. Baerbocks Aussage teile er „in dieser apodiktischen Form“ nicht, er wolle nicht ausschließen, dass Deutschland irgendwann wieder Energie aus Russland beziehen werde. Nur eine Abhängigkeit, die will auch der CDU-Chef nicht mehr.

Kommt ein kompletter Ausstieg aus russischen Gaslieferungen?

Grünen-Chefin Ricarda Lang dagegen stellt sich im Gespräch mit Maischberger und Merz an die Seite von Baerbock: Ein Komplettausstieg aus den fossilen Energien aus Russland sei richtig. „Wenn aus Russland irgendwann kein Gas mehr fließt – was wir in den nächsten zwei Jahren hinbekommen wollen – dann sollte aus Russland auch nie wieder Gas fließen“, sagte sie.

Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: Abhängigkeit von Russland – Jeder Einzelne ist gefragt

Dabei gehe es nicht darum, komplett auf Gas zu verzichten – gerade auf Gas als Rohstoff etwa für die Industrie. Kurzfristig müsse man daher mit „schwierigen Partnern“ wie Katar handeln. „Aber am Ende müssen wir uns unabhängig machen von den Energieträgern, die uns immer wieder angreifbar gemacht haben.“ Billiges russisches Gas, sagt Lang, habe es nie gegeben – den Preis habe nur jemand anderes gezahlt, und jetzt zahle ihn die Ukraine. „Wir haben häufig die Kosten von dem, wie wir leben, wie wir Energie erzeugen, externalisiert.“

Der Ausbau der Windkraft dürfe die Gesellschaft nicht spalten

Grundsätzlich, das betonte CDU-Chef immer wieder in dem Gespräch, sei man sich in Sachen Energien im Ziel einig. Aber die Sache mit der Atomenergie sehe er etwas differenzierter als die Grünen, auch Techniken zum Abscheiden von CO2 aus der Luft spricht er als möglichen Teil einer Lösung an. „Wir werden in Deutschland mit reiner Vermeidung und Umstieg, Ausstieg allein das Problem nicht lösen“, sagte Merz. Die zweite Phase der Emissionssenkungen, die nun komme, werde schwieriger – und Themen wie der Windkraftausbau etwa dürften die Gesellschaft nicht spalten.

Ricarda Lang dagegen fordert deutlich mehr Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien, auch in den Bundesländern. Dabei müsse man die Menschen durchaus mitnehmen, findet auch sie – „aber nicht, in dem man Ängste schürt“. Eine Möglichkeit sieht die Grünen-Parteichefin etwa darin, dass Kommunen automatisch finanziell an Windanlagen beteiligt werden. Würden die Bürgermeister sehen, dass sie dadurch vor Ort ein Schwimmbad oder die Kita finanzieren könnten, würden viele Vorbehalte wegfallen, ist Lang sich sicher.

Oppositionsführer Merz gab sich geradezu Grünen-nah

Das Gespräch zwischen den beiden Parteichefs aber wirkte abgesehen von kleinen inhaltlichen Differenzen erstaunlich harmonisch, Friedrich Merz gab sich geradezu Grünen-nah. Er fände gut, dass Annalena Baerbock nach Kiew gereist sei, sagte er. Und Lang wiederum kritisierte Merz’ Reise nach Kiew nicht, sondern stellte fest, dass sie an seiner Stelle wohl ebenfalls gereist wäre.

Einig waren sich Lang und Merz außerdem in dem Wunsch, „dass die ganze Debatte rund um Besuche weniger von deutschen Befindlichkeiten und weniger von Wahlkampfgeplänkel geprägt“ sein sollte, wie Lang es formulierte. Damit spielte sie auf die Debatten rund um Besuche von Bundespräsident Steinmeier oder Kanzler Scholz (beide SPD) in Kiew an. „Es geht bei diesen Besuchen nicht um uns, sondern um die Menschen in der Ukraine und darum, ihnen zu zeigen: wir werden euch nicht vergessen“, sagte Lang.

Feministische Außenpolitik – doch kein Gedöns?

Ein zuletzt kontroverses Thema zwischen Merz und den Grünen zog Moderatorin Sandra Maischberger mit einer Bundestagsrede von Merz zu feministischer Außenpolitik hervor. Sein Ton, seine abfällige Armbewegung bei der Rede impliziere, dass das „Gedöns“ sei, sagte dann auch prompt Ricarda Lang. Das wollte Merz so nicht gemeint haben – und ließ sich lieber erklären, was feministische Außenpolitik überhaupt sei.

Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: Fat-Shaming im Netz – Ricarda Lang, die Angegriffene

Zum einen bedeute feministische Außenpolitik, die besondere Situation von Frauen in Krisen- und Kriegsgebieten, auch ihre Vulnerabilität, anzuerkennen, sagte Lang – etwa mit klaren Regelungen, wenn Vergewaltigungen als Kriegswaffe eingesetzt werden. Zum zweiten bedeute es, vorsorgender zu handeln. Kompromisse, an denen Frauen beteiligt werden, funktionieren Lang zufolge besser – „einfach weil Frauen die Hälfte der Bevölkerung ausmachen“. Merz jedenfalls nickte zustimmend – und gab Sandra Maischberger recht als die feststellte, Ricarda Lang habe ihn offenbar überzeugt.

Merz stellt den Grünen ein gutes Zeugnis für ihre Arbeit aus

Zum Schluss des Gesprächs zeigt Maischberger einen Tweet von Merz aus dem vergangenen Jahr – auch der soll wohl provozieren: Schlimm würde es werden, würden die Grünen regieren, schrieb Merz damals – und sprach vom Gendern und Verhaltensregeln.

Und heute? Sieht Merz auch das anders. „Die Grünen sind jetzt in der Regierung und machen ihre Arbeit im Wesentlichen gut“, sagte Merz. Und zielt mit einer Spitze zum Schluss eher in Richtung der anderen Regierungsparteien: Die Grünen würden sich „wohltuend“ von anderen Kabinettsmitgliedern abheben, „die weit hinter dem zurückbleiben, was man von ihnen erwarten würde“. Da schien es fast so, als würde der CDU-Chef schon einmal die Option Schwarz-Grün auf Bundesebene ausloten.