Verteidigungsminister Thomas de Maizière lehnt einen Rücktritt in der "Euro Hawk"-Affäre ab, prüft aber personelle Konsequenzen in seiner Behörde wegen gravierender Informationsmängel.

Berlin - Verteidigungsminister Thomas de Maizière lehnt einen Rücktritt in der "Euro Hawk"-Affäre ab, prüft aber personelle Konsequenzen in seiner Behörde wegen gravierender Informationsmängel.

"Ich wurde unzureichend eingebunden", beklagte der CDU-Politiker am Mittwoch in Berlin. Zugleich verteidigte er den Stopp des milliardenschweren Drohnenprojekts mit einer US-Firma, das bereits Hunderte Millionen Euro verschlang: "Es handelt sich nicht um eine Fehlentscheidung. Es war eine richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt, die fehlerhaft zustande gekommen ist."

Merkel stärkt ihrem Minister den Rücken

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekundete erneut volles Vertrauen in den Minister. Die Opposition zeigte sich dagegen empört. SPD und Linke forderten de Maizières Rücktritt. Er sei als Minister verantwortlich für den Geist, in dem das Ministerium arbeite, sagte der SPD-Abgeordnete Hans-Peter Bartels in einer Debatte im Bundestag. Sein Parteikollege Rainer Arnold warf de Maizière schäbiges Verhalten vor. Es seien mehr als 500 Millionen Euro verpulvert worden und der Minister weise die Verantwortung den Staatssekretären zu. De Maizière entgegnete, er habe diesen nichts "in die Schuhe geschoben".

In einer schriftlichen Stellungnahme legt der Minister aber dar, dass er lange nicht über Zulassungsprobleme und Kostenexplosion des Vorhabens informiert wurde. Er stellt fest: "Eine solche Entscheidungsfindung auf Staatssekretärsebene entspricht einer in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gelebten Tradition des Verteidigungsministeriums zu Rüstungsangelegenheiten. Gleichwohl ist sie nicht in Ordnung. (...) Im Lichte dieser gesamten Prüfungsergebnisse behalte ich mir personelle Konsequenzen vor."

Haus nicht richtig im Griff gehabt

Milder ging der Minister in einer Pressekonferenz mit den beiden betroffenen Staatssekretären Stéphane Beemelmans und Rüdiger Wolf um. "Aber es ist nicht so, dass ich den Vorwurf erhebe, dass sie (Wolf und Beemelmans) mich nicht genügend unterrichtet haben, sondern dass das Haus mich nicht informiert hat." Dabei gestand er aber auch ein, dass er sein Haus nicht im Griff gehabt habe. Es sei schlechte Tradition im Verteidigungsministerium, Unangenehmes vom Minister fernzuhalten. "Ich hätte früher auch in diesem Bereich mein Haus so ordnen müssen, dass ich als Minister bei Entscheidungen dieser Größenordnung beteiligt werde", sagte er. "Ich bedauere das."

Auf die Frage, ob er nicht mit seinem Rücktritt die Verantwortung für das Drohnendesaster übernehmen müsse, sagte er: "Wir müssen Mentalitäten verändern." Er wolle dazu beitragen, dass sich das verändert. "Dafür braucht es einige Jahre", sagte de Maizière. An welche Personalkonsequenzen er denkt, ließ er offen. Vor einer Entscheidung will er eine detaillierte Fehleranalyse machen.

Der Grünen-Politiker Omid Nouripour sagte, am Montag müsse der Minister im Verteidigungsausschuss noch offene Fragen beantworten. Sonst schlössen die Grünen einen Untersuchungsausschuss nicht aus. Die Koalition zeigte sich zufrieden mit de Maizières Bericht.

Suche nach Alternativen

Der Minister kündigte die Suche nach Alternativen für die Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" an. Als Lehre aus dem Drohnendesaster will er eine spezielle Luftfahrtbehörde schaffen, die für alle militärischen Luftfahrzeuge die Zulassungsfragen entscheiden soll. Ferner soll dem Verteidigungsminister künftig regelmäßig ein Statusbericht zu größeren Rüstungsvorhaben und vor allem ihren Problemen vorgelegt werden. Das Parlament werde darüber informiert.

Der CDU-Politiker beschreibt, er sei erst am 13. Mai informiert worden, dass auf der Ebene der Staatssekretäre wenige Tage zuvor die Entscheidung zum Abbruch des Projekts getroffen wurde. Noch am selben Tag habe er diese Entscheidung gebilligt. Er betont: "Es gab zuvor keine Vorlage an den Minister mit einer Beschreibung der Zulassungsprobleme oder überhaupt zum Gesamtproblem."

Erstmals sei die Leitung des Ministeriums mit einer an Beemelmans gerichteten Vorlage am 8. Februar 2012 von den Zulassungsproblemen und einer drohenden Kostenexplosion in Kenntnis gesetzt worden. De Maizière hat nach eigenen Angaben von Zulassungsproblemen zwar erstmals in einer allgemeinen Besprechung am 1. März 2012 erfahren. Die Probleme seien ihm damals aber als lösbar dargestellt worden.

Der eigentliche Geburtsfehler des Projekts liegt für ihn in der Zeit der großen Koalition, unter der der Entwicklungsvertrag mit EADS und dem US-Rüstungskonzern Northrop Grumman Ende Januar 2007 abgeschlossen wurde. "Die Grundannahme, dass eine amerikanische Zulassung in Deutschland letztlich nur angepasst werden müsse (...), war irrig." Damals war Franz Josef Jung (CDU) Verteidigungsminister.

De Maizière betonte: "Als ich mein Amt angetreten habe, war das meiste Geld schon weg." Linksfraktionschef Gregor Gysi sagte, wäre das Drohnenprojekt nicht erst im Mai 2013, sondern bereits 2012 gestoppt worden, hätten 100 Millionen Euro gespart werden können. So aber sei die Rüstungswirtschaft gefördert worden. Das sei Lobbyismus.