Seit Dezember nicht mehr ausgefahren: Der Schiebetritt zur Überbrückung des Spalts zum Bahnsteig bei einer Präsentation an einem niedrigeren Regionalbahnsteig im April 2013 Foto: Michele Danze

Kurz bevor das Ultimatum der Bahn für ein „akzeptables Angebot“ am Donnerstag um Mitternacht ablief, schickte der Zughersteller Bombardier eine neue Offerte für die Produktion von zehn S-Bahnen. Beim Verband Region Stuttgart ist man skeptisch.

Stuttgart/Berlin - Das Angebot für zehn neue S-Bahnen für das Stuttgarter System im Wert von rund 80 Millionen Euro ging laut einem Sprecher von Bombardier Transportation am späten Abend per E-Mail von der Deutschland-Zentrale des kanadischen Schienenkonzerns in Berlin an die baden-württembergische Bahn-Tochter DB Regio beim Stuttgarter Nordbahnhof. „Das neue Angebot beinhaltet, dass wir wie von der Bahn gewünscht die technische Verantwortung für die Schiebetritte übernehmen“, sagt Sprecher Sebastian Heindrichs. Er hatte vergangene Woche bereits gesagt, dass sein Unternehmen die zehn neuen Züge „auf jeden Fall“ verkaufen wolle.

Das mit der Gewährleistung klingt logisch, ist es aber anscheinend nicht immer gewesen. Denn die Bahn hatte Bombardier vor Wochenfrist ein Ultimatum gesetzt und auch per Pressemitteilung veröffentlicht, weil der Zugproduzent „eine unübliche Verlagerung der Herstellerverantwortung auf den Kunden Deutsche Bahn“ angestrebt habe. Demnach war Bombardier zwar bereit, die vom S-Bahn-Besteller Verband Region Stuttgart gewünschten zehn zusätzlichen Fahrzeuge des Modells ET 430 zu produzieren. Sollten jedoch auch bei diesen die Schiebetritte zur Überbrückung des Spalts zum Bahnsteig klemmen, sollte die Bahn für eine mögliche Umrüstung selbst aufkommen. „Das kann von der Deutschen Bahn im Sinne ihrer Kunden nicht akzeptiert werden“, so ein Bahn-Sprecher.

Der Vorgang deutet an, wie kompliziert das Geschäft ist. Bombardier liefert zurzeit 87 Züge des Modells für rund 480 Millionen Euro nach Stuttgart. Bei diesen bleibt der bestellte Schiebetritte mit einer Sondergenehmigung des Eisenbahn-Bundesamts allerdings abgeschaltet, da er bei den ersten 13 Zügen im Frühjahr 2013 immer wieder geklemmt hatte und die Züge unterwegs einfach liegen blieben. Die Bahn zog sie daraufhin wieder aus dem Verkehr. Seitdem arbeiten Bombardier und sein französischer Zulieferer Faively Transport an einer neuen Lösung, die allerdings erst ab Dezember im Echtbetrieb getestet wird und nicht vor Ende 2016 oder sogar 2017 in allen Zügen eingebaut sein wird. Laut Insidern des Geschäfts war das Unternehmen wenig geneigt, weitere zehn Züge zu verkaufen, bevor das Problem Schiebetritt gelöst ist.

Der Verband Region Stuttgart wollte allerdings unbedingt weitere zehn Züge, weil das S-Bahn-System in den vergangenen Jahren immer anfälliger und unpünktlicher geworden ist. Zusätzliche Züge sollen nach dem Willen der Regionalversammlung unter anderem an den Endhaltestellen Weil der Stadt (S 6) oder Schorndorf (S 2) im fliegenden Wechsel mit den einfahrenden S-Bahnen losfahren. Außerdem sollen die Züge, in denen es eng zugeht, verlängert werden. Das Angebot soll auch besser werden, etwa der 15-Minuten-Takt könnte künftig am Abend länger gelten.

All diese Verbesserungen könnten ohne die zusätzlichen Zehn wohl nicht umgesetzt werden, befürchten mehrere Experten in der Regionalversammlung. Insofern ist Jürgen Wurmthaler, Direktor für Infrastruktur beim Regionalverband, am Freitag ob des neuen Angebots „zuversichtlich“ – und schiebt nach: „Aber noch nicht froh.“ Der Grund dafür: Wurmthaler ist noch nicht bekannt, was Bombardier dafür verlangt, dass es sich in der Gewährleistungsfrage auf Bahn und Region zubewegt. „Die wollen ja auch ein bisschen was dafür“, sagt Wurmthaler, „da muss man dann sehen, ob das noch in Ordnung ist.“ Die Regionalversammlung hat vor den Sommerferien 80 Millionen Euro für das Geschäft genehmigt, was pro Zug 2,5 Millionen Euro mehr als bei der letzten Bestellung im Jahr 2009 ist. Die Verbandsverwaltung hat das Thema deshalb vorsorglich schon mal auf die Tagesordnung der nächsten Regionalversammlung am 5. November gesetzt.

Zunächst einmal müssen nun aber die Einkäufer und Juristen der Bahn als Vertragspartner von Bombardier das Angebot prüfen und bewerten. „Das dauert mindestens eine Woche“, sagt ein Bahn-Sprecher.

Die Bestellung ist in mehrfacher Hinsicht dringlich. Beim Verband befürchtet man, dass man bis 2028, wenn der aktuelle S-Bahn-Vertrag mit der Bahn endet, keine kompatiblen Züge mehr bekommt. Denn die Serienzulassung für den ET 430 endet im Mai 2017. Bis dahin sollten die neuen Züge in Betrieb genommen sein. Bombardier seinerseits rechnet mit ständig neuen gesetzlichen Normen, die weitere Entwicklungskosten nach sich ziehen. Deshalb soll die Produktion in Henningsdorf bei Berlin so schnell wie möglich anlaufen. So hoffen alle Beteiligten aus ihrer Sicht, dass das Angebot dieses Mal akzeptabel sein möge.