Britta Seeger hat es bei Daimler geschafft: Im Vorstand des Autoherstellers verantwortet sie den Vertrieb von Mercedes-Benz Cars. Foto: Daimler

Ja, der Anteil der Frauen in den Topetagen von 160 deutschen Großunternehmen ist gestiegen – allerdings nur ein klein wenig. Männer dominieren immer noch. Wenn sich die Entwicklung fortsetzt, wird es bis ins Jahr 2040 dauern, um den Zielwert von 30 Prozent zu erreichen.

Stuttgart - Wer eine ausgesprochen positive Einstellung hat, sieht es so: Zur Jahresmitte waren 7,8 Prozent aller Vorstandsposten deutscher börsennotierter Unternehmen mit Frauen besetzt – ein Rekordwert. Wer pessimistischer gestimmt ist, dürfte dagegen eher diese Ansicht vertreten: Wenn die Zahl der Frauen in den Vorstandsgremien weiter so langsam steigt wie bisher, wird es bis 2040 dauern, bis ein Drittel der Vorstandsposten mit Frauen besetzt sind. Die Unternehmensberatung EY hat sich die Topetagen der 160 Unternehmen angesehen, deren Aktien im Dax, M-Dax, S-Dax und Tec-Dax notiert sind. Das Ergebnis: Von den insgesamt zu vergebenen 692 Vorstandsposten sind zur Jahresmitte 54 mit Frauen besetzt – damit sind fünf Frauen mehr in führenden Positionen als zu Jahresanfang. In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Zahl weiblicher Vorstandsmitglieder gerade mal um 2,8 Prozentpunkte erhöht. Immerhin: Im ersten Halbjahr 2018 wurden mehr Frauen als Männer in die Vorstände bestellt: Die Zahl der männlichen Vorstandsmitglieder hat sich in diesem Zeitraum „nur“ um drei erhöht.

Der Druck durch eine Quote fehlt

„Anders als für Aufsichtsräte gibt es keine gesetzliche Quote für die Vorstandsgremien. Entsprechend ist der Druck längst nicht so groß, Frauen in den Vorstand zu berufen“, urteilt Ija Ramirez, Partnerin der Unternehmensberatung EY. Der Weg von Frauen in die Führungsspitzen sei unverändert „mühsam und steinig“, so Ramirez. Wie wichtig öffentlicher Druck ist, lässt sich daran ablesen, dass im Spitzensegment Dax, dessen Unternehmen im Fokus stehen, der Frauenanteil mehr als doppelt so hoch ist, wie in den anderen Segmenten. So sind 13 Prozent der Dax-Vorstände weiblich, während der Anteil im S-Dax gerade mal bei 5,1 Prozent liegt. Dies sei ein Indiz, dass „öffentlicher Druck und Imagefragen hier durchaus eine Rolle spielen“, so Ramirez. Dies zeigt ihrer Ansicht nach: „Es ist möglich, den Frauenanteil deutlich zu erhöhen“.

Doch bisher sind nur in 29 Prozent der größten Unternehmen Frauen in den Topetagen vertreten. Meist ist es die „Vorzeigefrau“, die sich mehreren Männern gegenübersieht. Daimler gehört zu den Ausnahmen. Der Autokonzern hat mit Renata Juno Brüngger (Integrität und Recht) und Britta Seeger (Mercedes-Benz Cars Vertrieb) zwei Frauen in Spitzenfunktionen. Auch der Technologiekonzern Siemens gehört in dieser Hinsicht zu den Vorzeigeunternehmen: Lisa Davis ist unter anderem für das US-Geschäft zuständig und Janina Kugel ist fürs Personal. Ebenso der Softwarekonzern SAP, wo es Adaire Fox-Martin (zuständig für das weltweite Kundengeschäft) und Jennifer Morgan (Zuständig für USA und Asien) den Sprung nach oben geschafft haben. In vier Unternehmen haben sich Frauen sogar den Vorstandsvorsitz erobert: Antje Leminsky hat bei der Grenke AG das Sagen, Angela Titzrath beim Hamburger Hafen, Sonja Wärntges beim Finanzunternehmen DIC Asset und Dolores Schendel bei Biotechnologie-Anbieter Medigene.

Managementerfahrung fehlt

Die EY-Partnerin Ija Ramitrez räumt ein, dass es nicht immer nur an den Unternehmen liegt. „Wenn ein Vorstandsposten frei wird, steht fast immer die Frage im Raum, ob die Vakanz mit einer Frau gefüllt werden kann“. Doch es gebe „oft nicht übermäßig viele weibliche Kandidaten mit ausreichender Managementerfahrung und Qualifikation“. Und das hat nicht zuletzt mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu tun. „Noch immer sind es zumeist die Frauen, die sich um die Kinder kümmern und dafür Abstriche bei der eigenen Karriere machen. Tradierte Rollenbilder sind da noch längst nicht überwunden.“