Staatsanwalt Joachim Hell (David Kross) verfolgt in Jerusalem die Aussagen im Eichmann-Prozess Foto: SWR

Er stand bereits mit Kate Winslet vor der Kamera und drehte mit Steven Spielberg. Jetzt ist David Kross in „Die Akte General“ als hitzköpfiger Jurist zu sehen, der mit Fritz Bauer für Verfolgung von NS-Verbrechern kämpft.

Herr Kross, Sie spielen in „Die Akte General“ den aufstrebenden Staatsanwalt Joachim Hell, der seinen Chef Fritz Bauer bei dessen Kampf gegen die Vertuschung nationalsozialistischer Verbrechen unterstützt. Wie kam es dazu?
Ich bekam das Drehbuch zugeschickt, und die Geschichte hat mich sofort mitgerissen. Nicht nur wegen des historischen Hintergrunds, sondern auch wegen der Machart des Films, der die reale Handlung und die unfassbaren Geschehnisse wie einen Thriller erzählt. Dieser Film ist so gut gemacht, dass er auch fürs Kino getaugt hätte. Man merkt in jedem Moment, dass der Regisseur weiß, was er erzählen will.
Und wie fanden Sie den zwiespältigen Charakter, den Sie darstellen?
Auch sehr spannend, gerade wegen seines inneren Konflikts. Hell steht zwischen zwei Stühlen, ist nicht nur der Gute, sondern macht auch gravierende Fehler. Das Tolle für mich war auch: Es ist eine sehr erwachsene Rolle. Hell ist ein verheirateter Mann, ein angehender Staatsanwalt, der schon eine Familie gegründet hat. Also auch eine Vaterfigur. Außerdem wollte ich mich gerne mal mit der Nachkriegszeit beschäftigen, durch die man Hell erst verstehen kann.
Der Film ist atmosphärisch sehr dicht, auch weil die historische Kulisse bis ins kleinste Detail authentisch wirkt.
Stimmt. Jeder Drehtag war wie eine kleine Zeitreise. Auf dem Set konnte man sofort in eine andere Welt eintauchen. Uns Schauspielern hat das natürlich wahnsinnig geholfen, sich in diese Ära, Ende der 50er Jahre, hineinzuversetzen. Diese alten schönen Autos, die schlichten Möbel und diese klassisch-elegante Mode, das hatte schon was.
In Ihrer Rolle als Joachim Hell lassen Sie sich vom BKA als „Spitzel“ einspannen und spionieren Ihrem Chef nach, den Sie verehren. 
Hell gehört zu jener Generation, die zu Beginn des Zweiten Weltkrieges geboren wurde und sich im Erwachsenenalter mit der Frage beschäftigen musste, inwiefern sie Deutschland auf der einen Seite beim Wiederaufbau und auf der anderen Seite bei der Verarbeitung der Nazi-Verbrechen unterstützen will. Genau das ist auch der Hauptkonflikt der Figur. Er möchte zwar die NS-Verbrecher vor Gericht bringen und bewundert Fritz Bauer für seine Arbeit, aber genauso wichtig ist es ihm, seine Familie zu beschützen und sein Land vor drohenden Problemen in der Zukunft zu behüten.
Welche Probleme sind das?
Hell fürchtet vor allem die Kommunisten, seine Ängste werden noch geschürt durch die Propaganda der DDR. Er sorgt sich um das Ansehen der Deutschen in der Welt und hat Angst vor dem Verlust der Verbündeten im Falle, dass der Kalte Krieg in einen Dritten Weltkrieg umschlagen würde. Hell möchte zwar Karriere machen und das Land von „alter Schuld“ befreien, aber das alles in einem überschaubaren Rahmen. Also ohne eine kommunistische Machtübernahme zu riskieren. In diesem Dilemma entscheidet er sich dafür, die Arbeit Bauers zu „kontrollieren“. Seine Entscheidung, ausschließlich für Bauer zu arbeiten, trifft er zu spät.
Hatten Sie schon davor von Bauer und seiner Rolle bei den Auschwitz-Prozessen gehört?
Ich kannte die Hintergründe schon durch den „Vorleser“. Für diesen Film hatte ich mich ja bereits mit den Auschwitz-Prozessen beschäftigt. Zur damaligen Vorbereitung hatte ich zu Hause noch einen riesigen „Schinken“ über die historischen Fakten in meinem Bücherregal, damit habe ich mich dann noch mal befasst. In dem Buch geht es natürlich auch ausführlich um Bauer und darum, was er alles für das heutige Deutschland und die Demokratie erreicht hat.
Was hat Sie an dem Menschen Fritz Bauer besonders beeindruckt?
Dass er völlig unbeirrt – gegen alle Widerstände und mit allen Konsequenzen – für etwas eingestanden ist, was er als richtig empfunden hat. Das hat mich sehr berührt. Auch dass er sich viele Feinde gemacht und vermutlich eine große Einsamkeit empfunden hat. Trotz der vielen Angriffe gegen seine Person hat Bauer schonungslos für die Aufarbeitung der NS-Verbrechen gekämpft. Die Frage, ob ich in der heutigen Zeit auch für etwas so klar einstehen würde, hat mich bewogen, bei dem Film mitzumachen.
Ihnen eilt der gute Ruf voraus, dass Sie sich akribisch auf Ihre Rollen vorbereiten.
Beim Filmen hat man wenig Zeit. Am Drehtag muss alles schnell gehen. Deshalb sagt man, dass die eigentliche Arbeit schon vor dem Drehen beginnt. Den Tipp, mich immer gut auf eine Rolle vorzubereiten, hatte mir Regisseur Stephen Daldry vor den Dreharbeiten zum „Vorleser“ gegeben. Das war damals mein dritter Film, und ich dachte, ein bisschen Text lernen reicht. Da hat mir Daldry sechs dicke Bücher gegeben, die ich zur Vorbereitung lesen sollte. Das habe ich auch getan, und seitdem weiß ich, was Filmvorarbeit bedeutet.
Sie haben für „Gefährten“ auch schon mit Stephen Spielberg gedreht. Wie war das?
Wie in einem Traum. Alles war riesengroß: die Kulisse, die Technik, das ganze Team. Es gab wahnsinnig viele Komparsen und ein historisches Set im XXL-Format. Für Steven-Spielberg-Verhältnisse war das ein kleiner Film, aber ich fand es bombastisch. Der entscheidende Unterschied liegt im Budget: Zwar wird auch hier nur mit Wasser gekocht, aber in größeren Töpfen.
Ihre letzte Rolle war die des Hackers Sam in dem deutschen Low-Budget-Thriller „Boy 7“. Was ist das Fazit Ihrer bisherigen Filmkarriere?
Es muss nicht Hollywood sein. Auch in Deutschland kann man großes Kino machen. Es ist zwar schade, wenn man ein paar Mittel nicht hat, die man bräuchte, um einen Film groß zu erzählen, aber viel entscheidender ist die Idee dahinter. Und Mittelknappheit macht manchmal kreativ. Doch – ganz ehrlich – am besten ist natürlich, man hat beides: Geld und gute Ideen.

„Die Akte General“, ARD, Mittwoch, 20.15 Uhr